29.01.2008
Reise in den Mikrokosmos
„Softer! I can‘t hear you“ im Stadttheater
Was war von dem Nachfolgestück von „Louder! Can you hear me“, einem Stück über die entartete menschliche Kommunikation aus der letzten Theatersaison, zu erwarten? Sicherlich keine Reise in einen Mikrokosmos der Tierwelt.
Was war von dem Nachfolgestück von „Louder! Can you hear me“, einem Stück über die entartete menschliche Kommunikation aus der letzten Theatersaison, zu erwarten? Sicherlich keine Reise in einen Mikrokosmos der Tierwelt.
Der koreanischen Choreographin Eun-Me Ahn ist mit „Softer! I can’t hear you“ ein eigenwilliges Tanzstück gelungen, das wunderbar an seinen Vorgänger anknüpft. Eröffnet wird die Vorstellung von minimalistischen, monotonen Klängen. Ein nackter Mann sprintet athletisch über die Bühne und verschwindet. Kurz darauf bewegen sich zwei Darsteller wie in Zeitlupe spinnenhaft von der einen zur anderen Seite. Es folgt eine Reihe sich merkwürdig bewegender und artikulierender Figuren. Nach vorübergehender Verwirrung wird schnell klar: Man befindet sich im Reich der Insekten.
Mit außergewöhnlichem Körpereinsatz vermögen die fünf Tänzer des „Physical Virus Collective“ (PVC) Viviana Escalé, Philipp
Fricke, Unita Gay Galiluyo, Romain Guion und Tae-Suk Kang die Fauna in ihrer unendlichen Vielfalt ausschnitthaft darzustellen. Ein Tag im Leben der Tierwelt wird figuriert: Die Tänzer bewegen sich in einem fluoreszierenden, floralen Bühnenbild, das an psychedelische Poster aus der Jugendzeit erinnert.
Das Geschehen ist auf die Notwendigkeiten des Lebens reduziert: bloßes Sein, Paarung, Tod. Doch die Naturgesetze werden durch ein individuelles Element durchbrochen: Eine Figur, gespielt von Unita Gay Galiluyo, sucht in dieser Welt ihren Platz. Und so werden eben nicht nur Insekten dargestellt, sondern auch emotionale Wesen. Durch die Einfügung des Gefühls in die Insektenwelt werden die Tiere vermenschlicht, so dass der Zuschauer mit der ganzen Spannbreite menschlicher Emotionen konfrontiert wird.
Doch das Tanzstück ist kein ernstes Trauerspiel – vielmehr besticht es durch Komik und Freude an der Bewegung. In der Vorgängerproduktion „Louder! Can you hear me“ wurde die isolierende Auswirkung von Informationsflut und Kommunikationswandel resümiert. Mit „Softer! I can’t hear you“ inszeniert Eun-Me Ahn das Gegenstück. Wir, die wir
uns in einem „Schlaf“ befinden und das Wesentliche nicht mehr wahrnehmen, sind aufgerufen zur Stille zurückzukehren: „Wenn Du nicht alles hören kannst, musst Du an Deinen Platz in der Stille zurück.“
Solch einen Platz entwarf die Choreographin.
von Claudia Günther