03.06.2008
„Hopp Schwiiz, Hopp Schwiiz!“
Nur noch wenige Tage bis zur EM 2008 in der Schweiz und Österreich
Seit dem Endspiel 1954, als Deutschland die favorisierten Ungarn im Wankdorfstadion mit 3:2 besiegte, ist das "Wunder von Bern" in aller Munde. Das Stadion heißt heute "Stade de Suisse" und wird wieder eine Spielstätte hochkarätiger Partien.
Aus Bern berichtet unser Korrespondent Moritz Damm
"Es wird die ganze Zeit Party in der Stadt sein und die Holländer werden ihren Teil dazu beitragen", da ist sich Johannes Schenck, Wirtschaftsstudent in Bern, sicher. In wenigen Tagen beginnt das größte Fußballfest Europas in der Schweiz und Österreich. Doch allzu viel von Fußballfest Europas in der Schweiz Fußballfest Europas in der Schweiz Party und EM-Fieber ist noch nicht zu spüren in der schweizerischen Bundeshauptstadt.
Spätestens seit dem historischen WM-Endspiel im Jahr 1954, als Deutschland die favorisierten Ungarn im altehrwürdigen Wankdorfstadion mit 3:2 besiegte, ist das "Wunder von Bern" in aller Munde. Das Wankdorfstadion heißt heute "Stade de Suisse" und wird wieder zu einer Spielstätte hochkarätiger Partien.
Keine Lust auf die EM im eigenen Land?
Die holländische Nationalmannschaft wird alle ihre Vorrundenspiele in Bern bestreiten. Unter den Gegnern werden auch die Italiener und Franzosen sein. Die Berner sind vorbereitet auf die Oranje-Fans. 5000 Fußballfans sollen bei der Euro 08 in Dieterswil unweit von Bern feiern und schlafen. Auf insgesamt 110.000 Quadratmetern entsteht eine Zeltstadt mit Zirkus, Großbildleinwand, Konzertbühne, Verpflegungs- und Marktständen. "95 Prozent aller Buchungen im Fancamp Dieterswil kommen aus Holland. Holländische Fans hätten bereits 9500 Übernachtungen reserviert", sagt Marcel Schneider, Mitorganisator des Fancamps.
Doch wie verhalten sich die Eidgenossen diesem Großereignis gegenüber? Auf dem Internet-Portal Spiegel-Online war vor kurzem in einem Artikel von der EM-Unlust der Schweizer zu lesen. Der Artikel bezog sich auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Isopublic für die Züricher Sonntagszeitung, in der lediglich 41 Prozent der Befragten höfliches Interesse an der Europameisterschaft bekundeten. Selbst diese Minderheit plant in ihrer überwältigenden Mehrheit (88 Prozent), die Spiele in der trauten Umgebung der heimischen Wohnstube zu verfolgen. Schlechte Aussichten also für Massenekstasen und rot-weiße Fahnenmeere vor Public-Viewing-Leinwänden.
Ruhe statt Desinteresse
Bewahrheitet sich also schon wieder das Bild von den zurückhaltenden, ruhigen und wenig begeisterungsfähigen Schweizern? Man sollte die Situation vielleicht eher als relative Ruhe, anstatt als Desinteresse beschreiben. Die Schweizer freuen sich auf die Europameisterschaft, aber eben etwas anders. Das Thema ist da, aber nur unterschwellig.
Die Gründe hierfür liegen vielleicht darin, dass die Schweiz keine Fußballnation ist und nicht eine solche Fankultur besitzt, wie es etwa. in Deutschland oder Holland der Fall ist. Sicherlich ist den Schweizern auch noch das Trauma der Weltmeisterschaft im Jahr 2006 in Erinnerung. Nach dem überraschenden und souveränen Einzug ins Viertelfinale kam am 26. Juni dann der Schock im Elfmeterschießen. Die besten Fußballer der Schweiz trafen kein einziges Mal vom Punkt und mussten sich 0:3 gegen die Ukraine geschlagen geben.
Die "Nati" ist immer für eine Überraschung gut
Ist die vermeintliche Emotionslosigkeit durch die Angst vor einem frühen Ausscheiden der "Nati", wie die Schweizer ihre Nationalmannschaft nennen, begründet? Tatsächlich ist diese Mannschaft eine Wundertüte. Nach einer eher durchwachsenen Vorbereitung könnte die schweizer Nationalelf das Turnier früh verlassen aber dennoch zu einer Überraschung werden.
Es ist bekannt, dass Mannschaften mit Heimvorteil zu einigem fähig sind. Allerdings muss die Bevölkerung das Team auch nach vorne treiben. In der Schweiz sind es meist doch die Anhänger der anderen Mannschaften, die Lärm und Party verbreiten. Hierbei handelt es sich meist um Portugiesen, Italiener, Deutsche und Tschechen, die in der Schweiz leben. Auch dadurch, dass die Schweiz aus vielen kulturellen und sprachlichen Regionen besteht, gibt es nicht nur den Fokus auf die schweizer Nationalmannschaft. Daher kommt auch kein echtes Gefühl eines kollektiven Fußballfanatismus auf.
Kein Fenster ohne Flagge
Aber so unterkühlt sind die Schweizer eben doch nicht, dass sie dieses Turnier kalt lassen würde. Es wird darüber gesprochen, in der Bäckerei, beim Metzger und beim Friseur. Auf den Schulhöfen wird mit Abziehbildern gehandelt. Das einsame Fähnchen, das vor ein paar Wochen noch verloren an vereinzelten Autos wehte, hat Gesellschaft bekommen. Kaum ein Schaufenster mehr ohne das weiße Kreuz auf rotem Hintergrund. Keine Zeitung, kein Fernsehsender, kein Produkt ohne Bezug auf die Europameisterschaft.
Der Berner Geschichtsstudent Ulrich Amstutz erzählt vorfreudig: "Die Welle der Begeisterung startet mit dem Anpfiff." Die Schweizer brauchen vielleicht wirklich etwas länger, aber wenn der Ball mal ins Rollen gekommen ist, dann wird auch sie nichts mehr zurückhalten. Und sicherlich werden die Angebote der Public-Viewings und die Fanzonen mit riesigem Programm genutzt werden. In Bern gibt es jedenfalls die Option zur Emotion.
Sicher wird dem ein oder anderen der 128.000 Einwohner Berns das ein oder andere Mal der Schlachtruf "Hopp Schwiiz" über die Lippen gehen. Und spätestens wenn das Halbfinale in Basel Deutschland – Schweiz heißt, dann hat auch die Schweiz ihr Sommermärchen.