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04.11.2008

Campusmaut für Lehrstühle?

Sollten Studenten mit ihren Studiengebühren Professorenstellen finanzieren?

Die Hochschulen und Berufsakademien nehmen jährlich rund 180 Millionen Euro Studiengebühren ein. Ist es aber gerecht­fertigt, aus Studiengebühren Professorenstellen zu finanzieren, was eigentlich Grundaufgabe der Hochschule ist?

Die Hochschulen und Berufsakademien nehmen jährlich rund 180 Millionen Euro an Studiengebühren ein. Diese Gelder sollen „für die Erfüllung der Aufgaben in Studium und Lehre“ eingesetzt werden, zum Beispiel für eine verbesserte Ausstattung der Bibliotheken, den Erwerb digitaler Lernmittel oder intensivere Betreuungsmöglichkeiten durch zusätzliche Tutorien. Ist es aber gerecht­fertigt, aus Studiengebühren Professorenstellen zu finanzieren, was eigentlich Grundaufgabe der Hochschule ist?


 

Die Hochschulen und Berufsakademien nehmen jährlich etwa 180 Millionen Euro an Studiengebühren ein. Diese Einnahmen stehen den Hochschulen und Berufsakademien zusätzlich zu der staatlichen Grundfinanzierung, die wir im Solidarpakt für die Hochschulen in voller Höhe bis 2014 garantieren, zur Verfügung. Die Zweckbindung der Studiengebühren für Aufgaben in Studium und Lehre ist gesetzlich abgesichert. Innerhalb dieser Zweckbestimmung entscheidet jede Hochschule selbst, wofür sie die Studiengebühren verwendet.
Durch die Einführung der Studiengebühren im Sommersemester 2007 haben die Hochschulen ganz erhebliche Spielräume zur Verbesserung der Studienbedingungen erhalten. Zum Beispiel eine verbesserte Ausstattung der Bibliotheken durch den Erwerb zusätzlicher Lehrbücher und digitaler Lernmittel, die verlängerten Öffnungszeiten der Bibliotheken und der Schaffung intensiverer Betreuungsmöglichkeiten durch zusätzliche Tutorien oder die Verbreiterung des Bildungsangebots durch Kurse für Schlüsselqualifikationen und Fremdsprachen. Vor allem bei den naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen konnte die lehrbezogene technische Ausstattung erneuert werden.
Der Wissenschaftsrat und der von mir im Sommer 2006 eingesetzte „Monitoring-Beirat Studiengebühren“ haben aber festgestellt, dass bei den Betreuungsverhältnissen nach wie vor ein ganz erheblicher Nachholbedarf besteht: Auf einen Professor kommen bei uns im internationalen Vergleich schlicht zu viele Studierende. Der Grund dafür liegt im Öffnungsbeschluss der 70er Jahre und dem daraus resultierenden Kapazitätsrecht.
Damit die deutschen Hochschulen international wettbewerbsfähig bleiben, ist – so der Wissenschaftsrat – eine Erhöhung der Zahl der Professoren in den Geistes-, Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften um durchschnittlich 33 Prozent und in den Naturwissenschaften um zehn Prozent erforderlich. Dafür brauchen wir die Möglichkeit, Beamtenstellen aus Studiengebühren zu finanzieren, denn alle Maßnahmen aus Studiengebühren sind kapazitätsneutral.
Die neuen Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre können so die Betreuungsrelation effektiv verbessern – zum Vorteil der Studierenden. Mit dem neuen Staatshaushalt 2009 erhalten die Hochschulen jetzt die Möglichkeit, landesweit 250 zusätzliche Professuren einzurichten. Wichtig dabei ist mir, dass es sich dabei um Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre handelt.
Wichtig ist mir ebenfalls, dass die Studierenden in die Entscheidungen über die konkrete Verwendung der Einnahmen mit einbezogen werden. Auch dies ist gesetzlich so festgelegt.
Nahezu alle Hochschulen unterscheiden zwischen zentralen und dezentralen Maßnahmen. Bei den meisten Hochschulen überwiegt die dezentrale Verwendung: Zwischen 50 und 80 Prozent fließen dann in die Fakultäten. In einigen Hochschulen ist das Verhältnis aber auch umgekehrt. Ich habe hier keine Priorität. Wichtig sind: Transparenz und spürbare Verbesserungen für alle Studierenden.
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Studiengebühren von 500 Euro schmälern den studentischen Geldbeutel nochmals um etwa 10 bis 15 Prozent. Dass mit Einführung dieser „Campus-Maut“ vor einem Jahr die Studienanfängerzahlen in Baden-Württemberg – trotz des Ausbauprogramms Hochschule 2012 und steigenden Abiturientenzahlen – zurückgingen, war daher wenig überraschend. Und es ist daher auch nur logisch, dass sich laut Politbarometer des ZDF vom 24. Oktober 64 Prozent der Menschen in Deutschland gegen Studiengebühren aussprechen.
Um den Studiengebühren ihre negative Wirkung zu nehmen, behauptete die baden-württembergische Landesregierung um Wissenschaftsminister Frankenberg, dass die Studiengebühren den Hochschulen zusätzlich zugute kämen und nur für Studium und Lehre verwendet werden dürfen. Abgesehen davon, dass auch diese Argumentation Studiengebühren nicht ihre soziale Sprengkraft nimmt, zeigt sich nun auch, dass dieses Versprechen der Landesregierung Schritt für Schritt gebrochen wird.
Angefangen hatte es damit, dass im Rahmen des Solidarpakts die baden-württembergischen Universitäten gezwungen wurden, reale Haushaltskürzungen hinzunehmen – zum Beispiel indem alle Steigerungen der Energiekosten von den Universitäten getragen werden müssen. Aber auch vor direkten Kürzungen wie beim notwendigen Instrumentalunterricht für Musiklehrer im Praxissemester, schreckte die Landesregierung nicht zurück. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass ein bedeutender Teil der Studiengebühren inzwischen für Dinge (zum Beispiel im Bibliotheksbereich) ausgegeben wird, für die bisher der Landeshaushalt aufgekommen ist.
Die Toleranzgrenze endgültig überschritten hat Wissenschaftsminister Peter Frankenberg nun mit dem Vorschlag 300 Professorenstellen aus Studiengebühren zu finanzieren. Zum ersten Mal sollen Studiengebühren auch dazu verwendet werden, Grundaufgaben der Hochschulen zu übernehmen. Offiziell sollen sie natürlich zusätzlich und reine Lehrprofessuren sein, damit dem offiziellen Gesetzeszweck („für die Erfüllung der Aufgaben in Studium und Lehre“) nicht widersprochen wird. Aber wer glaubt schon, dass das dauerhaft so bleiben wird?
Wenn die baden-württembergischen Hochschulen Probleme haben, ihre Studiengebühren auszugeben und statt dessen einen Teil dieses Geldes lieber auf die hohe Kante legen, wie die Landesregierung auf einen SPD-Antrag hin einräumen musste (LT-Drs. 14/2993), wäre die richtige Antwort, die Studiengebühren abzuschaffen anstatt ständig neue Ausgabenzwecke zu erfinden. Die Befürchtung, dass viele Hochschulen warten, die Studiengebühren auszugeben, bis der strikte Verwendungszweck „für Studium und Lehre“ endlich gefallen ist, damit dann auch „normale“ Professorenstellen oder möglicherweise gar der Bau neuer Gebäude finanziert werden kann, liegt auf der Hand. So dringend notwendig eine bessere Ausstattung der Hochschulen mit Räumlichkeiten und Personal auch ist, so inakzeptabel ist es auch, dies mehr und mehr über den Geldbeutel der Studierenden tun zu wollen.





 

von Beate Brehm
   

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