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 Feuilleton
04.11.2008

Getanzte Selbsterkenntnis

„Im Schnee“: Thomas Manns Zauberberg ohne Worte

Die sechs Suiten für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach bilden die musikalische Grundlage für das Tanztheaterstück „Im Schnee“ von Joachim Schloemer, dass vom Kapitel „Schnee“ aus Thomas Manns Zauberberg handelt.



Die sechs Suiten für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach bilden die musikalische Grundlage für das Tanztheaterstück „Im Schnee“ von Joachim Schloemer, welches vom Kapitel „Schnee“ aus Thomas Manns Zauberberg handelt.

Hierin findet Hans Castorp im Schneesturm nach und nach zu sich selbst. Zu Beginn ein Tanz, der epileptischen Zuckungen gleicht. Ausgeführt von einem Mann in schwarzem Mantel vor einer Leinwand, auf die Schneekrater projiziert werden.

Dann setzt das Cello ein und umfängt die skurrile Stimmung mit träumerischen Klängen, die den Zuschauer in die Welt eines inneren Konflikts entführen. Ein weibliches Wesen in Violett versucht den Protagonisten mit Gewalt und Versuchung zu überwältigen, zu umgarnen. Sie verschlingen sich ineinander, lösen sich krampfartig voneinander. Sie führt ihn schließlich in ein Haus, in dem er auf weitere Figuren stößt: Einen Mann in Rot, eine Frau in Rosa, eine in Blau und weitere Menschen.

Hans Castorp wird mit seinen Wesensteilen konfrontiert. Diese für ihn befremdliche Begegnung führt zum Kampf unter den Wesensteilen. Es ist ein erbitterter Kampf, aufwallend und wieder abebbend, der das aus Pfählen gebaute Haus auf der Bühne ganz ausfüllt. Während die Tänzer in harten Bewegungen den Konflikt ausdrücken, dämpft die weiche Musik die Szenen zu einer Traumlandschaft.

Eine Reise durch die Welt der Selbsterkenntnis


In der Pause befällt den Zuschauer dann Ratlosigkeit angesichts des Gesehenen, was sich nach dem Gong auch in einem sichtlich geleerten Saal bemerkbar macht. Jedoch war das Urteil derer, die gingen, vorschnell, denn nach der Pause stellt sich allmählich Klarheit ein. Die vielen Wesensteile haben sich beruhigt, die Farben werden einheitlich, auch das Licht wird weicher.

Bedruckte Tafeln verkünden die Ruhe des Ichs im Schnee. Es scheint, als habe die Hauptfigur ihre Emotionen und Wesensteile anerkannt, und seien sie noch so befremdlich. Einheitlich gekleidet betrachten die Protagonisten gemeinsam den Schneefall, sichtlich beeindruckt von der plötzlichen Ruhe. Der Konflikt hat sich gelöst, es entsteht ein neues Gesamtwerk des Ichs, eine neue Ruhe und schließlich nur noch Musik, im Raum verhallend.

„Im Schnee“ lässt den Zuschauer durch eine Welt der Selbsterkenntnis wandeln, die noch lange nachwirkt. Ein besonderes Erlebnis, auch dadurch, dass die Erkenntnis und die Klarheit ganz ohne den Gebrauch von Sprache zustande kommt. Ein Stück also, das diejenigen, die durchgehalten haben, am Ende umso mehr erfüllt.



Weitere Aufführungen: 10. und 21. November auf der Städtischen Bühne. Eintrittskarten für Studenten kosten ermäßigt 5 bis 14 Euro

von Seraphine Meya
   

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