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 Feuilleton
04.11.2008

Jazz & mehr

Interview mit Festivalleiter Rainer Kern

„Enjoy Jazz“ feiert seinen zehnten Geburtstag. Bis zum 15. November sind hier Größen wie Nik Bärtschs Ronin oder DJ DSL zu sehen. Festivalleiter Rainer Kern sprach über die Zukunft des Festivals und Heidelberger Kulturpoltik.

Das Heidelberger Festival „Enjoy Jazz – Festival für Jazz und Anderes“ feiert seinen zehnten Geburtstag. Bis zum 15. November sind noch Jazz- und Partygrößen wie Nik Bärtschs Ronin oder DJ DSL zu sehen. Der ruprecht sprach mit Festivalleiter Rainer Kern über das Festival, die Zukunft von „Enjoy Jazz“ und die Heidelberger Kulturpoltik.


Herr Kern, es ist F
estivalhalbzeit: Was ist Ihr Zwischen-Fazit?

Wir haben einen Zuschauerzuwachs, um 20 bis 25 Prozent und sind sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Die mediale Resonanz, sowohl regional wie auch national, ist groß. Wir haben einfach noch mal einen Riesensprung nach vorne gemacht.

Wenn die Resonanz so groß ist, platzen dann nicht die Räume aus den Nähten?

Ja, wir haben schon Kapazitätsprobleme. Das ist allerdings ein Luxusproblem.

Gerade hier in Heidelberg steht es ja nun schlecht um größere Räume.

Das stimmt. Da wir aber 12 verschiedene Orte in der Region bespielen, haben wir die Möglichkeit, uns an die Besucherzahl anzupassen. Meistens liegen wir mit unserer Einschätzung wie viele Besucher kommen werden auch relativ richtig. Aber dadurch, dass das Festival in diesem Jubiläumsjahr so einen Sprung gemacht hat, ist der Zuspruch oft noch viel größer als erwartet.

Dann wird im nächsten Jahr die SAP-Arena bespielt?

Nein, das wäre übertrieben. Bei allen großen Festivals heißt es eben frühzeitig Karten besorgen! Und die SAP-Arena wäre ja noch einmal eine ganz andere Dimension. In richtig große Hallen zu gehen, würde auch den Charakter des Festivals verändern, was wir nicht wollen.

Ist das Festival damit auf seinem Zenit angekommen?

Am Zenit angekommen würde man sagen, wenn man seinen Erfolg nur an dem Parameter Auslastung bemessen würde. Das tun wir natürlich nicht, uns geht es um die Präsentation des aktuellen und des im jeweiligen Jahr wichtigen Jazz und um eine breite Darstellung des Genres. Außerdem versuchen wir, die gesamte Eindringtiefe des Themas in die Gesellschaft darzustellen: etwa über Vorträge und Matineen. Und da arbeiten wir natürlich auch schon an neuen Konzepten für die folgenden Jahre. Außerdem kommen gerade sehr viele gute junge Jazz Musiker nach und es liegt der Musik und dem Thema inne, dass es nicht langweilig wird. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.

Sie sind selbst Jazz-Fan und haben das Festival gegründet, weil es Ihnen zu wenig Jazz in der Region gab.

Na ja, es hat eigentlich so angefangen, dass ich damals schon lange Zeit dachte solch ein Festival fehlt hier. 1999 wurde der Start dann durch die Unterstützung eines Sponsors möglich. Gleich im ersten Jahr lief es so erfolgreich, dass wir weitermachen konnten. So hat sich dann die Festivalidee von Jahr zu Jahr weiterentwickelt. Letztendlich war es ein Bedarf, den ich selber gespürt und festgestellt habe. Der Erfolg bestätigt, dass es diesen Bedarf gab und gibt.

Den Bedarf nach Jazz?

Zumindest nach dem was sich in unserer Art und Weise mit dem Begriff beschäftigt. Als wir begonnen haben 1999, da hatte Jazz noch einen sehr viel schlechteren Ruf.

Als eine Verrücktenmusik?

Vielleicht als eine anstrengende Kopfmusik für schwarz gekleidete, sich im Bart grübelnde Menschen. Das war aber nicht meine Sicht auf die Musik, sie hat so viel mehr, viele verschiedene Aspekte, die ich zeigen wollte. Ein anderer Beweggrund war die Art anderer Festivals, Musik sehr geballt zu präsentieren: 15 Bands, die an einem Abend parallel spielen - das wollte ich nicht. Aber man kann es auch einfacher sagen: Ich hatte einfach Lust so ein Festival hier zu machen.

Und wo kamen sie da gerade her?

Ich bin studierter Chemiker und habe damals an der Universität gearbeitet. Irgendwann musste ich mich dann entscheiden – und habe die Chemie an den Nagel gehängt.

An wen wenden Sie sich mit Ihrem Festival?

Wir haben eine sehr breite Ausrichtung, einerseits bei den Konzerten, andererseits bei den anderen Veranstaltungen die es gibt, Vorträge, Masterclasses, Matineen und so weiter. So schaffen wir es sowohl verschiedene Zielgruppen, als auch verschiedenen Altersgruppen anzusprechen. Genau das ist unser Ansinnen, nämlich zu zeigen, dass es hier um etwas geht, das alle interessiert.

Und jetzt kommen genug junge Leute?

Seit ein paar Jahren auf jeden Fall. Es kommen natürlich Leute die sich schon immer Jazz-Konzerte angeschaut haben. Aber Gäste aus der überregionalen Presse wundern sich immer wieder darüber, wie viele junge Leute zu unseren „klassischen“ Jazz-Konzerten kommen. Die Durchmischung in der Alterstruktur findet tatsächlich statt und funktioniert sehr gut. Es geht durch alle Bildungs- und Altersschichten.

Trägt sich das Festival mittlerweile selber?

Es trägt sich hauptsächlich durch private Sponsoren und Unterstützer. Die öffentliche Hand gibt einen kleineren Teil dazu: Räume und Geld.

Jürgen Fritz vom Haupt-Sponsor „SAS“ meinte, das Festival sei mittlerweile „Sinnbild für die Region“. Bedeutet das nun auch, dass es an Freiraum und Geld für „kleine Kultur“ fehlt?

Diese Schlussfolgerung erschließt sich mir nicht. Wenn man die reine Finanzierung durch die öffentliche Hand als Maßstab nimmt, dann zählt Enjoy Jazz auch zur „kleinen Kultur“. Wir finanzieren den Großteil ja über Sponsoren Aber was soll der Begriff „kleine Kultur“ überhaupt bedeuten? In diesen Kategorien denken wir nicht. Was Jürgen Fritz meinte, war dass wir schon lange bevor die „Metropolregion“ gegründet wurde das Festival in der Region als von Heidelberg ausgehendes regionales Festival verankert haben. Die Beteiligung und damit Verbindung mehrere Städte war uns von Anfang an sehr wichtig.
Ich glaube auch, dass man in der Diskussion weg muss von dem Gegeneinanderstellen von Hochkultur und „kleiner Kultur“. Es gibt Sparten, die einen verschieden großen Finanzbedarf haben. Im Karlstorbahnhof, einem unserer Hauptspielorte, findet auch diese „kleine Kultur“ statt - und zwar ganz groß. Ermöglicht wird das durch das große Engagement von sehr vielen Leuten. Es gibt dort keine kleine Kultur. Nur weil etwas notorisch unterfinanziert ist, muss der Output noch lange nicht klein sein. Da wird seit vielen Jahren höchste Qualität geboten und das mit einer großen Beachtung und Reputation in ganz Deutschland.
Eine Ausnahme in der Finanzierung ist natürlich das Theater, das in jeder Kommune meistens den größten Geldbedarf hat. Das ist aber der kulturellen Tradition in Deutschland geschuldet. Auch darüber sollte man reden dürfen.

Nun soll die Villa Nachttanz geschlossen werden. Einerseits investiert man 35 Millionen Euro in die Sanierung des Stadttheaters, lässt aber gleichzeitig eine Einrichtung wie die Villa, die sich selbst trägt und auch 400 bis 500 Besucher am Abend zählt, ausbluten. Herrscht da nicht ein Ungleichgewicht?


Theater und Villa über einen Kamm zu scheren, führt zu nichts. Die Villa Nachttanz ist aus einer privaten Initiative heraus entstanden. Sie soll auch nicht geschlossen werden, sondern sie verlieren wegen eines auslaufenden Mietvertrags soweit ich weiß nur das Haus. Jetzt steht die Villa Nachttanz sozusagen davor ein neues Haus zu finden.

… was in Heidelberg natürlich nicht so einfach ist.

Aufgrund des Engagements und der Erfahrung, die die Stadt mit der Villa Nachttanz gemacht hat, sollte sie ihren Teil dazu beitragen, der Villa Nachttanz dabei zu helfen ein neues Haus zu finden. Im Umgang mit der Villa Nachttanz in den letzten Jahren sehe ich eher ein positives Signal: Man hat ihr beispielsweise 2003 bei den Sanierungsgeschichten geholfen.

Allerdings nur ein wenig.

Aber immerhin. Man hätte das damals auch zum Anlass nehmen können, das Haus ganz zu schließen. Insgesamt denke ich, dass man in Heidelberg über kulturelle Schwerpunktsetzung nachdenken muss. Konzepte wie das der Villa Nachttanz sollten sich auf jeden Fall darin wiederfinden. Letzteres ist ein gutes Beispiel für das private und ehrenamtliche Engagement von Menschen, die damit eine Sache zum Laufen bringen und eine Lücke in der Stadt schließen. Solche Konzepte muss man unbedingt unterstützen, das hier Menschen von sich aus in die Stadt investieren. Die Kommune hat sozusagen von einem Teil ihrer Bürger etwas geschenkt bekommen. Damit dieses Engagement professionell und nachhaltig weiter fortgeführt und vielleicht auch ausgebaut werden kann, muss die Stadt irgendwann unterstützend zur Seite stehen. Wenn das alle Beteiligten, inklusive Villa Nachttanz das wollen. Dazu fehlt mir aber die Information.
Die Theatersanierung ist jedenfalls notwendig und richtig. Das darf aber nicht dazu führen, dass die restliche Kultur in der Stadt leidet. Im Moment weist viel darauf hin, dass es so kommen könnte. Hier sollten alle Beteiligten wach bleiben.
Die Kosten in allen Bereichen des Lebens steigen jährlich, auch die im Kulturbereich. Nicht steigende Zuschüsse sind da bei bereit gekürzte Zuschüsse. Ein guter Kulturentwicklungsplan würde das mit einbeziehen. Das scheint hier nicht so zu sein. Zumindest nicht beim Karlstorbahnhof, Villa und anderen Einrichtungen.

von Paul Heesch
   

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