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 Wissenschaft
03.02.2010

Klimawandel verändert Heidelberg

Fremde Tier- und Pflanzenarten entdecken neue Lebensräume

Durch die anhaltende Erderwärmung verschieben sich die Klimazonen langfristig bis zu 300 Kilometer nach Norden. Viele Tiere und Pflanzen müssen mit dem Wandel gehen und ihren Lebensraum wechseln. Schon heute spürt Heidelberg die Folgen.

Durch die anhaltende Erderwärmung verschieben sich die Klimazonen langfristig bis zu 300 Kilometer nach Norden. Viele Tiere und Pflanzen müssen mit dem Wandel gehen und ihren Lebensraum wechseln. Schon heute spürt Heidelberg die Folgen.

Vom Heidelberger Schloss aus offenbart die Aussicht dem Besucher ein bildhübsches Panorama: Jahr für Jahr präsentiert sich die Stadt in ziegelroten, weißen Farben, der blaue Neckar windet seinen Weg durch die Landschaft und drum herum erstrahlen die Bäume in einem klaren Grün. Für die Besucher ist es ein vertrautes Bild. Doch was das menschliche Auge aus der Ferne nicht erkennen kann: Der Klimawandel hat Heidelberg in den vergangenen Jahren maßgeblich verändert. Besonders stark erkennbar ist der Wandel in der Tier- und Pflanzenwelt.

Ralf Bermichs Aufgabe ist es, den Klimaschutz in Heidelberg voranzubringen. Der Abteilungsleiter für Energie im Umweltamt der Stadt Heidelberg soll mit seinem Institut, die "gravierendsten Folgen" verhindern, die die tendenzielle Erderwärmung für Heidelberg mit sich bringt. Klimaschutz, nachhaltiger Umgang mit der Natur und Anpassung beschreiben seine Tätigkeit am ehesten. Stellt man ihm aber die Frage, wie der Klimawandel Heidelberg verändere, dann kann er sogar von einem Wandel in der heimischen Tier- und Pflanzenwelt berichten: "Wir stellen fest, dass sich immer mehr wärmeliebende Tiere und Pflanzen in Heidelberg niederlassen."

So hat sich zum Beispiel das Taubenschwänzchen in den letzten Jahren in der Region eingenistet. Ein Schmetterling, den man eher aus dem Mittelmeerraum kennt. In der Regel überquert der Kolibri ähnliche Schmetterling die Alpen nicht, da es für das Insekt nördlich der Gebirgskette viel zu kalt ist. Doch seit zehn Jahren sei der Zweiflügler auch in Heidelberg ansässig, erklärt Bermich.

Mediterranes Klima kommt nach Deutschland

Jochen Bläsing, Leiter für Klima und Umweltberatung des Deutschen Wetterdienstes in Baden-Württemberg, sagt: "Schaut man sich den Zeitraum zwischen 1980 und 2009 in Heidelberg an, können wir einen Anstieg um bis zu 0,5
Grad verzeichnen". Grundsätzlich sei das gesamte letzte Jahrhundert um einen Grad wärmer geworden.

Klimaforscher gehen davon aus, dass sich die Klimazonen durch die anhaltende Erderwärmung in Zukunft bis zu 300 Kilometer nach Norden verschieben. Bildhaft gesprochen heißt das: Das mediterrane Klima, das wir heute zum Beispiel aus dem Italien-Urlaub kennen, wird zukünftig in Deutschland Einzug finden. Tiere und Pflanzen müssen sich dieser Entwicklung zwangsläufig anpassen, wenn sie überleben wollen.

Nutznießer der aktuellen Temperatur-Entwicklung sind unter anderem die Orchideen in Heidelberg, die "ganz offensichtlich" vom Klimawandel profitieren, berichtet Rüdiger Becker. Der Abteilungsleiter für den Natur- und Landschaftsschutz der Stadt Heidelberg beobachtet, dass sich die Orchideen in der Rheinebene zunehmend ausbreiten. Einen bekannten Lebensraum der Blumen bot bislang der Kaiserstuhl, der im Südwesten Baden-Württembergs liegt. Doch mittlerweile breiten sich die Orchideen nach Norden aus, sagt Becker.

Expansion der Wärmeinseln

Die Mauereidechse scheint ebenso vom Klimawandel zu profitieren. Mehr als 3000 Reptilien dieser Art hätten Becker und sein Institut zwischen 2008 und 2009 in der Bahnstadt gezählt, die aufgrund der Entwicklungspläne der Stadt umgesiedelt werden mussten. Neben dem tropischen Vogel, dem Bienenfresser, der voriges Jahr zum ersten Mal in Heidelberg gesichtet wurde, fühlen sich in der badischen Stadt auch die Halsbandsittiche wie zu Hause.

Der Beamte vom städtischen Natur- und Landschutz sagt: "Halsbandsittiche halten sich gerne in klimatisch
günstigen Arealen auf, sogenannten Wärmeinseln. Die Zunahme und Ausbreitung der Tiere lässt somit auch eine Expansion der Wärmeinseln vermuten". Rund 500 Stück sollen bereits in Heidelberg leben. Am stärksten vermehren sich die grünen Artgenossen entlang der Bergstraße.

"Wir werden uns von einigen Arten verabschieden müssen"

Als Gefahr könnten sich dagegen die Ambrosia oder der Götterbaum entlarven. Beide Pflanzenarten greifen nämlich in die Umwelt ein. War der Götterbaum früher nur in der Stadt zu finden, breitet er sich zunehmend im Heidelberger Stadtwald aus. Eine Bereicherung, die nicht ganz unbedenklich ist: Der Baum kann nämlich konkurrierende Arten zu eigenen Gunsten verdrängen. Gefürchtet ist ebenso die Ambrosia, weil sie mit Hilfe
ihrer Pollen tränende Augen, Kopf-schmerzen oder Asthma auslösen kann.

Auf die Frage, wie viele Arten in der Region durch den Klimawandel bereits geflüchtet sind, konnte Becker allerdings noch nichts Konkretes sagen. Zu den größten Verlierern in Heidelberg und dem Umkreis werde jedoch die Zauneidechse gehören, während die Mauereidechse sicherlich zu den Profiteuren des Klimawandels zählen werde.

Unterm Strich sieht Becker den Folgen der regionalen Erwärmung realistisch ins Auge: "Wir werden uns mit Sicherheit von einigen Arten verabschieden müssen."

von Christian Schmied
   

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