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06.07.2010

Lithium im Salar

Morales will Neo-Kolonialismus in Bolivien verhindern

Die Salar-Salzwüste ist eine Tourenattraktion und Einkommensquelle des ärmsten Land Südamerikas. Doch das Gebiet gewinnt auch aus anderem Grund an Attraktivität: Unter der Salzkruste verbirgt sich der größte Lithiumvorrat der Welt.

Die Salar-Salzwüste ist eine Tourenattraktion und Einkommensquelle des ärmsten Land Südamerikas. Doch das Gebiet gewinnt auch aus anderem Grund an Attraktivität: Unter der Salzkruste verbirgt sich der größte Lithiumvorrat der Welt.

Von Stefanie Fetz aus Uyuni (Bolivien)

Ganz vorsichtig tasten sich die vier Räder vor. In Schrittgeschwindigkeit rollt der Jeep auf das ungewisse, fast unheimliche Terrain. Der Weg ist zu Ende, das Meer beginnt. Ein Meer aus zehn Zentimeter hohem Wasser ruht auf dem größten Salzsee der Welt, dem Salar de Uyuni, im Südwesten Boliviens. Rund 10.000 Quadratkilometer ist er groß, also ungefähr 1500 Fußballfelder, und ist damit sogar auf Satellitenbildern sichtbar.

Das leichte Plätschern, wenn das Wasser zwischen die Räder kommt, ist zu hören. Der Grund für die Stille im Inneren des Autos ist nicht etwa die Uhrzeit. Um sechs Uhr spiegeln sich im hellen Morgenlicht auf der Wasseroberfläche Wolken bis ins Unendliche. Gebannt angesichts der Weite, verstummt durch die Unerreichbarkeit des anderen Ufers, kommt man sich vor wie im Himmel. Wir müssten so langsam fahren, sagt Fahrer Alberto, weil sich im Salar einige „ojos“ versteckt hielten. Löcher im Boden, meint er damit. Löcher, die gefährlich werden können, wenn man zu schnell fährt und sie übersieht.

Im vergangenen Jahr hätten sie zu mehreren Unfällen geführt. Die Jeeps überschlugen sich. Gasflaschen, die im Dachgepäck gelagert waren, explodierten. Einige Touristen kamen dabei ums Leben. Negativschlagzeilen, die nicht gut sind für die Region um die Stadt Uyuni, wo sich in den letzten Jahren wegen der Attraktion Salzwüste viele Tourenanbieter angesiedelt haben. Hier setzt man auf den Tourismus als vielversprechende Einkommensquelle im ärmsten Land Südamerikas. „Das wollen wir uns nicht nehmen lassen“, so der 42-Jährige. Damit meint er aber auch den zweiten Grund, warum der Salar zunehmend Blicke auf sich zieht. Unterhalb der Salzkruste verbirgt sich der größte Lithiumvorrat der Welt.

Das Leichtmetall gilt als Rohstoff der Zukunft. Lithium-Ionen-Batterien finden schon heute Verwendung im Laptop oder Handy. Eine weitere Karriere steht dem Element in der Automobilindustrie bevor, wenn Hybrid- und Elektroautos massentauglich gemacht werden sollen.

Lithium-Akkus besitzen eine größere Leistungsfähigkeit als die bisher marktdominierenden Nickel-Akkus. Sie liefern eine gleichmäßigere Menge an Strom, verlieren bei häufigem Wiederaufladen nicht an Kapazität und entladen sich kaum bei Nichtgebrauch. Durch diese besonderen Eigenschaften werden also viele Geräte erst wirtschaftlich.

Bolivien ist deshalb nicht mehr nur für Backpacker oder Hilfsorganisationen interessant. Die Hälfte aller weltweiten Lithium-Vorkommen lagern in dem Andenstaat auf 3600 Metern Höhe. Das US Geological Survey spricht von einem Speicher von 5,4 Millionen Tonnen. Noch widmen sich die Arbeiter am Rande des Salars der traditionellen Salzgewinnung. In mehreren Becken wird die Lauge trockengelegt und auf Lastwägen abtransportiert. „Einen Knochenjob haben die“, meint Tourenführer Alberto.

Jetzt um die Mittagszeit steigen die Temperaturen, das salzige Weiß blendet. Er zieht seine dicke Winterjacke aus und die Schirmmütze tiefer ins Gesicht. Es sei fast so wie damals in der Miene. Bereits mit zwölf Jahren arbeitete er in den Stollen des „cerro rico“, dem reichen Berg in Potosí, 200 Kilometer entfernt vom Salar. Mit dem Bus sind das fünf Fahrtstunden. Hier war es das Silber, das ausländisches Interesse lockte. Der Berg wurde während der Kolonialzeit zum Symbol der spanischen Ausbeutung.

Alberto ist froh, dass er dort nur einige Jahre schuften musste, in der schwülen und stickigen Luft unter Tage, wo viele Minenarbeiter nicht älter werden als 35 Jahre. Und Alberto ist froh, dass die bolivianische Regierung mit dem zukunftsträchtigen Lithium einen anderen Weg einschlagen will.

Regierungschef Evo Morales hat mehrmals betont, er wolle nicht, dass es ein weiteres Potosí gebe. 2005 wurde er als erster südamerikanischer Indio zum Präsidenten gewählt. In seiner ersten Amtszeit veranlasste er eine Verfassungsänderung, die ihm im Dezember des vergangenen Jahres die Wiederwahl ermöglichte. Gemäß seinem sozialistischen Leitbild verstaatlichte er Konzerne und Gasunternehmen.

Auch ausländischen Investoren gegenüber ist Morales erst einmal skeptisch und genehmigt zunächst nur Pilotprojekte zur Förderung des wertvollen Lithiums. Am Rande des Salars, fernab touristischer Höhepunkte. Und in so geringem Umfang, um nicht von vorneherein Hierarchien festzulegen. Es müsse eine Partnerschaft, keine Knechtschaft werden. Alberto mag Evo.

Die wertvolle neuentdeckte Ressource soll der bolivianischen Bevölkerung langfristig von Nutzen sein. Wenn der Rohstoff nicht einfach verkauft wird, sondern Weiterverarbeitung und Produktion der Akkus auf bolivianischem Boden stattfinden, wäre das für Alberto und Evo der Himmel auf Erden.

   

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