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 ProContra
10.07.2010

Glaubensfrage

Steht Studierenden ein Gebetsraum an der Uni zu?

Seit etwa zehn Jahren fordert die Muslimische Studentengemeinde von der Universität Heidelberg einen Gebetsraum. Das Rektorat lehnte dies bisher ab. Die Fachschaftskonferenz und die Evangelische Studierendengemeinde unterstützen diese Forderung. Doch die Debatte um die Einrichtung von Gebetsräumen in Schulen und Universitäten ist nicht nur in Heidelberg aktuell. In Deutschland und der westlichen Welt wird die Frage heiß diskutiert und vor Gerichten ausgefochten.

Seit etwa zehn Jahren fordert die Muslimische Studentengemeinde von der Universität Heidelberg einen Gebetsraum. Das Rektorat lehnte dies bisher ab. Die Fachschaftskonferenz und die Evangelische Studierendengemeinde unterstützen diese Forderung. Doch die Debatte um die Einrichtung von Gebetsräumen in Schulen und Universitäten ist nicht nur in Heidelberg aktuell. In Deutschland und der westlichen Welt wird die Frage heiß diskutiert und vor Gerichten ausgefochten.

 


Endlich einmal sind sich Angehörige verschiedener Religionen einig. Was vor ein paar Jahren noch unmöglich gewesen wäre, rückt nun in greifbare Nähe. Muslimische und christliche Studenten in Heidelberg sind bereit, sich einen Raum zum Beten, Meditieren und Ausruhen zu teilen. Dabei ist das Ziel nicht die Vermischung der Religionen, sondern der Austausch oder wenigstens die friedliche Koexistenz. Da es hier um religiöse Hochschulgruppen geht, die wie ihre studentischen Mitglieder auf jeden Cent schauen müssen, ist es verständlich, dass die Muslimische Studierendengemeinde (MSG) ihren Wunsch nach einem Raum der Stille an die Universität richtet. Schließlich ist es auch ihre Aufgabe, Studierende mit Rat und Tat zu unterstützen.

In diesem Zusammenhang wird häufig erwähnt, dass die Universität eine staatliche Einrichtung und damit ausschließlich für die Lehre und nicht für die Gewährleistung der Religionsausübung der Studenten verantwortlich sei. Aber was ist mit der ungestörten Religionsausübung, die in Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes jedem Bundesbürger gewährt wird? Zwar muss der Staat auch gewährleisten, dass andere nicht von der Religionsausübung ihrer Mitmenschen beeinträchtigt werden, aber gerade das würde mit einem Raum der Stille auch erreicht werden. Muslimische und christliche Studierende könnten sich zum Gebet zurückziehen und würden andere Studierende nicht mehr stören. Auch besagt der genannte Artikel im Grundgesetz lediglich, dass kein Bundesbürger an der Ausübung seiner Religion gehindert werden darf und nicht, dass ihm der Staat zur Ausübung verhelfen muss. Deshalb und auch aus Gründen der Gleichberechtigung hat das Rektorat die Forderung der MSG bis jetzt abgelehnt. Doch die Forderung nach einem eigenen Gebetsraum stellt die MSG nun nicht mehr. Sie wünscht sich lediglich einen Raum, in dem sie ihre Gebete vollziehen kann und ist bereit, diesen mit andersgläubigen und religionslosen Studenten zu teilen, damit die gleichberechtigte Behandlung aller Studenten gewährleistet wird.

Die Notwendigkeit für einen Rückzugsort zum Beten ist definitiv vorhanden. Als Christin weiß ich, dass das Gebet beziehungsweise die Meditation für einen Christen wichtig sind und zum Leben unbedingt dazugehören. Natürlich kann man auch zu Hause oder unterwegs beten. Doch gerade an einem langen Unitag, was bei Bachelorstudenten ja des Öfteren vorkommt, ist es gut und erholsam, sich in einer Pause zurückzuziehen und zu beten oder zu meditieren. Das gibt einem Kraft für den Unialltag.

Gerade bei den Muslimen ist die Notwendigkeit eines Gebetsraumes offensichtlich. Die Gebete mit den rituellen Waschungen, die fünf Mal am Tag zum Teil kniend vorgenommen werden sollen, erfordern einen speziellen Rückzugsort. Während sich christliche Studenten in der Altstadt und im Neuenheimer Feld zum Beten in eine der vielen Kirchen und Kapellen zurückziehen können, haben muslimische Studenten keine solche Möglichkeit. In Heidelberg gibt es keine Moschee und in den Bibliotheken, Mensen und Institutsgemeinschaftsräumen stören sich muslimische Betende und andere Studenten gegenseitig.

Deshalb ist der Bitte nach einem Raum, in dem Studierende ihre Religion ausüben können und in dem interreligiöser und kultureller Austausch stattfinden kann, unbedingt stattzugeben.  

 

 


Fast 30.000 Studenten sind an der Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg immatrikuliert. Sie alle sind geprägt durch unterschiedliche kulturelle und religiöse Hintergründe wie dem Katholizismus, dem Protestantismus, dem Judentum, dem Islam, dem Buddhismus oder dem Atheismus, um nur einige Beispiele zu nennen. Bisher hatte jede religiöse Studierendengruppe ihren eigenen Versammlungs- und Gebetsort außerhalb des universitären Zuständigkeitsbereichs. Schließlich ist Deutschland ein säkularisiertes Land, was bedeutet, dass religiöse und staatliche Einrichtungen von einander getrennt sind. Bis dato wurde diese Trennung nicht in Frage gestellt, auch nicht an den Universitäten. Der neue Plan des Rektorats, allen religiösen Studentengruppen einen „Raum der Stille“ in der Altstadt zur Verfügung zu stellen, widerspricht dem modernen Selbstverständnis der Universität als einem religionsfreien Raum. Das Gebot der Säkularisierung sollte aber auch an Universitäten eingehalten werden, schließlich ist sie eine staatliche Einrichtung.

Zudem bedeutet die Zusage der Universität ja auch ein Einmischen in die Autonomie der Religion, da sie bezüglich der Nutzung des Raumes Auflagen machen kann, die die religiöse Nutzung einschränken können. Damit unziehen sich die religiösen Hochschulgruppen den Interessen und Vorgaben des Rektorats, das die Verfügungsgewalt über diesen Raum besitzt und ihn den Studenten jederzeit wieder nehmen und für einen anderen Zweck nutzen kann. Damit gewinnen die Studenten zum Beten, Meditieren und Beisammensein einen Raum, über den sie letztendlich keine Hoheit besitzen.

Dass religiöse Hochschulgruppen nicht auf einen Gebetsraum von der Universität angewiesen sind, zeigen die Evangelische Studierendengemeinde (ESG) und die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) in Heidelberg, die beide einen Ort gefunden haben, an dem sie unabhängig von der Hochschule ihre Treffen und Veranstaltungen durchführen können.

An der Universität Heidelberg herrscht akuter Raummangel, was auch studentische Gruppen nicht unberührt lässt. Daher sollten Angebote, wie das an die Muslimische Studierendengruppe, einen Raum im Studentenwohnheim Comeniushaus zu nutzen, nicht einfach mit der Forderung nach einem Raum in der Altstadt abgelehnt werden. Jede studentische Organisation in Heidelberg muss selbst sehen, wo sie Räume für ihre Treffen und Veranstaltungen zur Verfügung gestellt bekommt. Die Universität ist wohl kaum dazu verpflichtet, studentischen Organisationen universitären Raum zur Verfügung zu stellen. Außerdem gibt es noch das Studentenwerk, das Studentenorganisationen einen Raum im „Haus der Studierenden“ am Marstallhof zur Verfügung stellt.

Die ESG und KHG sind ein vorbildliches Beispiel für religiöse Studentengruppen, die es geschafft haben, unabhängig von den Räumen der Universität einen Ort zu finden, an dem sie sich treffen und gemeinsam beten können. Ich bin sicher, für alle anderen religiösen Hochschulgruppen ist es ebenso machbar, einen außeruniversitären Raum zu finden. Das wäre sicherlich die beste Lösung, da sie so unabhängig von der Universitätsleitung den Raum ihren Zwecken gemäß ohne Einflussnahme von außen nutzen könnten und die Trennung von Kirche und Staat gewahrt bliebe.

von Stephanie Müller und Michaela Reisdorf
   

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