Dies ist ein Archiv der ruprecht-Webseiten, wie sie bis zum 12.10.2013 bestanden. Die aktuelle Seite findet sich auf https://www.ruprecht.de

ruprecht-Logo Banner
ruprecht/Schlagloch-doppelkeks-Jubiläum
Am 13.10. feiern wir 25 Jahre ruprecht/Schlagloch und 10 Jahre doppelkeks [...mehr]
ruprecht auf Facebook
Der aktuelle ruprecht
ruprecht vor 10 Jahren
Andere Studizeitungen
ruprechts Liste von Studierendenzeitungen im deutschsprachigen Raum
ruprecht-RSS
ruprecht-Nachrichten per RSS-Feed
 Heidelberg
09.06.2010

Stillstand oder Diskurs?

Die Heidelberger BĂĽrgerinitiativen sind umstritten

Die Untere Straße in der Altstadt ist heftig umkämpft. Erst formieren sich mit LindA (Leben in der Altstadt) die Befürworter einer Einschränkung des Nachtlebens zugunsten der Nachtruhe der Anwohner. Jetzt sammeln sich die Gegner im Dachverband HeiKo (Heidelberg Konstruktiv).

Man hat den Eindruck, dass in Heidelberg ständig Bürgerinitiativen gegründet werden. Ihre genaue Zahl zu bestimmen ist schwierig, da sie lose Zusammenschlüsse sind und niemand ein Register über sie führt.
Neben LindA und HeiKo zählt BIEST zu den bekannteren. Die „Bürgerinitiative Erweiterungsbau Stopp“ will den geplanten Anbau des Kongresszentrums Stadthalle verhindern.

Erst vor kurzem geriet sie durch eine Unterschriftensammlung gegen die Erweiterung ins Blickfeld der Öffentlichkeit. BIEST arbeitet eng mit der „Initiative lebenswerte Altstadt“ zusammen, die kein Einkaufszentrum in der Altstadt will und 2008 den Abriss der historischen Gaststätte „Essighaus“ in der Plöck abwenden konnte. Die „Kulturinitiative Heidelberg pflegen und bewahren“ hat ähnliche Ziele. Ihr Initiator Wassili Lepanto gründete sogar eine Liste, die 2009 an den Gemeinderatswahlen teilnahm und einen Sitz errang.

Weitere Initiativen sind „BürGenLand“ (Bürger für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in der Kurpfalz), die „Antifaschistische Initiative Heidelberg“ und die „Initiative zur Integration kurdischer Migranten“.

Das „Bündnis für den Emmertsgrund“ tritt für den Erhalt der dortigen städtischen Wohnungen ein. Ähnlich wie BIEST konnte sie ein Bürgerbegehren durchsetzen und verhinderte 2008, dass ein privater Investor 610 Wohnungen von einer städtischen Baugenossenschaft kaufen konnte.

„Unser Strom ist grün“ plant, möglichst viele Haushalte für den Ökostrom zu gewinnen. Die HAI (Heidelberger Agenda 21 Initiative) setzt sich für afrikanische Migranten ein. Das „Projekt Zukunft Bahnstadt“ ist dafür, einen neuen Vertrag mit der Entwicklungsgesellschaft Heidelberg abzuschließen – eben jenem Konsortium, dem die Stadt die Baumaßnahmen im neu entstehenden Stadtteil Bahnstadt überlassen will.

Die Aufzählung zeigt, dass sich mittlerweile für oder gegen so ziemlich alles in Heidelberg eine Bürgerinitiative gegründet hat. Doch wovon zeugt diese auffallend hohe Dichte basisdemokratischer Initiativen? Ist sie Ausdruck einer Stadtverwaltung mit so geringer Kompetenz, dass sich Bürger ständig gezwungen sehen, selbst einzugreifen? Oder haben die Heidelberger ein besonders ausgeprägtes Demokratieverständnis?

„Bürgerinitiativen sind Ausweis des vielfältigen politischen Lebens in Heidelberg und einer lebendigen Diskussionskultur“, erklärt Bert-Olaf Rieck, Sprecher der Stadt Heidelberg, auf Anfrage des ruprecht.

 Gerade LindA und HeiKo scheinen das zu bestätigen. Die Initiativen nehmen zwei gegensätzliche Positionen zu einem in der Ă–ffentlichkeit hitzig diskutierten Thema ein. Ihre Diskussion ist also Basisdemokratie im besten Sinne – ganz gleich, wie man selbst inhaltlich zu der Thematik steht.

Kritiker dieser Initiativenflut sehen diese jedoch nicht als Ausdruck einer funktionierenden Demokratie, sondern als das genaue Gegenteil: In einer Stadt, in der die Verwaltung ordentlich arbeite, brauche man kaum Bürgerinitiativen. Manche Bürger Heidelbergs, Gemeinderatsvertreter und auch Gewerbeverbände nervt das „ewige Hin- und Herdiskutieren“. Ihrer Ansicht nach wollen die meisten Initiativen bestimmte Projekte nur aus rein egoistischen Motiven verhindern.

Sie bemängeln, dass die Bürgerinitiativen eher zu einem Stillstand in der Stadt führen und kritisieren die Diskussionen als kleinliches Gezänk. Dies wiederum tue dem (basis-)demokratischen Denken nicht gut.

von Michael Abschlag
   

Archiv Heidelberg 2024 | 2023 | 2022 | 2021 | 2020 | 2019 | 2018 | 2017 | 2016 | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 | 2010 | 2009 | 2008 | 2007 | 2006 | 2005 | 2004