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 Interview
11.06.2010

"Ich lasse mich nicht von den Medien benutzen"

Bodo Wartke im ruprecht-Interview

Seit mehr als zehn Jahren tritt Bodo Wartke als Klavierkabarettist auf. Anlässlich seines Konzerts in Heidelberg sprachen wir mit ihm über seine Zukunftspläne, seine Erlebnisse auf Tour und auch den Bildungsstreik.

Seit mehr als zehn Jahren tritt Bodo Wartke als Klavierkabarettist auf. Inzwischen spielt er drei verschiedene Programme und ein Solo-Theaterstück. Anlässlich seines Konzerts in Heidelberg sprach ruprecht mit dem Wahl-Berliner über seine Zukunftspläne, seine Erlebnisse auf Tour und auch den Bildungsstreik.

ruprecht: Sie spielen oft in Heidelberg. Haben Sie einen bestimmten Bezug zur Stadt?

Bodo Wartke
: Ich habe viele sehr schöne Erinnerungen an Heidelberg. Einmal war ich in Heidelberg, als ich schlimmen Liebeskummer hatte. Ich war gerade in der Gegend und hatte einen Tag frei, da dachte ich: Ich war noch nie in Heidelberg, ich hab immer gehört, das soll da so schön sein, da fahr ich jetzt mal hin. Und so war es dann auch, ich finde die Stadt einfach total toll, auch architektonisch. Das ist eine Stadt, durch die ich gehe und richtig aufatme und denke: Ach ja, guck mal, geht doch: schöne Architektur. Wie schön, dass so viel stehen geblieben ist. Ich habe auch das Schloss angeschaut, das ist allerdings schon ein paar Jahre her. Das fand ich sehr spannend. Eine Freundin von mir hat in Heidelberg studiert, mit der bin ich über den Philosophenweg gelaufen. Also die Touristen-Attraktionen habe ich alle schon mitgenommen. Und ich habe in Heidelberg vor Jahren auch mal den schlechtesten Film aller Zeiten gesehen: Godzilla von Roland Emmerich. Grauenhaft!


Während Ihres Physikstudiums haben Sie an einem Studentenstreik teilgenommen. Haben Sie vom aktuellen Bildungsstreik denn etwas mitbekommen? Was halten Sie davon?

Ich habe auf jeden Fall etwas davon mitbekommen! Ich habe auch mit ein paar Kollegen in der besetzten Uni in Berlin musiziert, das war toll! Dort habe ich ein Lied gespielt, das ich damals vor zehn Jahren geschrieben habe. Das Lied heißt „Streiksong“ und darin kommen Dinge zur Sprache, die heute noch genauso gelten wie damals. Ich finde es schrecklich, dass sich da im Grunde nicht viel geändert hat.

Also können Sie die Streikenden verstehen?

Ja aber selbstverständlich, voll und ganz. Volle Solidarität!

Sie haben dann von Physik zu Musik gewechselt. Wie kam es dazu?

Physik erfĂĽllt mich nicht mit Leidenschaft, das habe ich schnell gemerkt. Ich wusste: Okay, wenn ich hier gut sein und das verstehen will, dann muss ich etwas dafĂĽr tun. Ich bin in der Zeit schon lieber aufgetreten und habe Lieder geschrieben, mich am Streik beteiligt und auch dafĂĽr Lieder geschrieben und gesehen: Da liegt mein Talent. 

Was vermissen Sie heute aus der Zeit, in der Sie studiert haben?

Ich habe an der Universität der Künste in Berlin studiert. Dort herrschen noch vergleichsweise paradiesische Studienbedingungen. Natürlich ist es auch da vollkommener Blödsinn, die Studiengänge auf das Bachelor-Master-System umzustellen. Aber wir hatten recht kleine Seminare und waren auch mit vielen unserer Dozenten per Du. Unsere Fakultät war in einem wunderschönen altehrwürdigen Gebäude untergebracht. Es gibt einige Unis, da denke ich mir: Es könnte ein Parkhaus sein, es könnte ein Gefängnis sein, aber eine Uni? Oh Gott, welche Architekten haben sich das denn ausgedacht? Gerade im Musikstudiengang an der Universität der Künste wimmelt es von schönen Frauen. Es war also traumhaft, dort zu studieren! Als ich Physik studiert habe, war das ganz anders. Ich hätte mir auch vorstellen können, Lehrer zu werden. Aber Kabarettist bin ich lieber!

Welches war das spannendste, aufregendste oder tollste Ereignis in Ihrer Karriere?

Spontan fällt mir dazu die Verleihung des Kleinkunstpreises ein, als ich 26 war. Ich hab mir immer gewünscht, dass ich den irgendwann bekomme, aber dass ich ihn so früh bekomme – und dann auch gleich nicht als Nachwuchs-Preis, sondern in der Kategorie Chanson – das hat mich ziemlich umgehauen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich damals in Köln auf einem Konzert war. Abends, nach dem Konzert, rief mich meine Agentin an und fragte: „Hallo, wie geht’s Dir? Wo bist Du denn gerade?“ Und ich sagte so: "In Köln. Was ist los, warum rufst du an um diese Zeit?" Und sie fragte dann: "Und, sitzt du gerade?" Und ich sagte "Nö, also ich stehe hier grade so draußen auf der Straße." Und sie sagte "Ja, also setz' dich mal hin." Und ich setze mich hin und sie sagt mir, dass mir soeben der Deutsche Kleinkunstpreis verliehen wurde.

Und was war das lustigste Erlebnis, das Sie bisher auf Tour hatten?

Ich hatte mal einen Open-Air-Auftritt in MĂĽnster und während eines besonders blutrĂĽnstigen Liedes, das ich gesungen habe – ich glaube sogar, es war "Ja, Schatz!" – trottete plötzlich ein Hund an der BĂĽhne vorbei und der hatte ein Kaninchen im Maul. Das war einfach total witzig. Wie auf Knopfdruck, auch noch genau an der richtigen Textstelle, kommt dieser Hund vorbei. Das sind so kleine Geschenke, so was kann man eben nicht planen. 

Was war Ihr peinlichster Moment bei einem Auftritt?

Ich wurde auf einer Silvesterfeier in Neu-Brandenburg absichtlich mit Tischfeuerwerk beschossen.

Haben Sie seitdem eine Silvester-Phobie?

Ich trete Silvester nicht mehr auf. Allerdings nicht deswegen, sondern weil ich den Abend frei haben will.

Insgesamt spielen Sie ja eher vor kleinerem Publikum als in großen Hallen. Wo treten Sie lieber auf, in angenehmer Atmosphäre oder vor vielen Leuten?

Beides hat seinen Reiz. Es ist natürlich besonders schön, wenn beides zusammen kommt, also großes Publikum und angenehme Atmosphäre. Die Stadthalle in Heidelberg liefert das. Es ist ein wunderschöner Saal und da entsteht dann im Idealfall diese schöne Atmosphäre, obwohl da so viele
Leute reinpassen.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Gute Frage, darüber hab ich mir noch gar nicht so genau Gedanken gemacht. Ich werde in zehn Jahren – also nicht erst in zehn Jahren, schon vorher – mit Band und Orchester unterwegs sein. Da ich derzeit schon einige meiner Stücke ins Englische übersetze und auch schon mit großem Erfolg in London gespielt habe, werde ich vielleicht in zehn Jahren weltweit als Kulturbotschafter unseres Landes auf Tour sein und damit dieses Vorurteil widerlegen, dass Deutsche keinen Humor hätten.
Ich sehe mich als Vorreiter einer Kulturrevolution, die zeigen will, dass es in Deutschland auch eine andere Form von Unterhaltung gibt außer der, die im Fernsehen stattfindet. Ich hege die Hoffnung, dass mehr Leute zu uns – das bin ja nicht nur ich, das sind auch viele andere – ins Theater kommen
werden, weil sie die Schnauze voll haben vom Fernsehen.

Sehen Sie darin nicht auch eine Gefahr, dass Ihre Art von Unterhaltung mainstream wird?

Dass man dann vielleicht auch von den Medien benutzt wird? Ich lasse mich nicht von den Medien benutzen. Mein erklärtes Karriereziel ist es, vom Privatfernsehen und der Bild-Zeitung unerwähnt zu bleiben. Ich glaube nicht, dass es mainstream wird. Man muss ja auch bestimmte Voraussetzungen mitbringen, um an dem SpaĂź zu finden, was ich mache, und das ist sicherlich auch nicht jedermanns Geschmack, muss es ja auch gar nicht sein. Ich will das machen, was mir gefällt. Es ist okay, dass das nicht allen Leuten gefällt. 

Sie sagen, Sie ĂĽbersetzen Ihre Texte ins Englische. Wie schwierig ist es, den Wortwitz in eine andere Sprache zu ĂĽbertragen? 

Ich mache das nicht alleine. Dabei hilft mir mein ehemaliger Techniker Tom. Er ist Engländer und kann sehr gut Deutsch. Er hat jahrelang in Deutschland gelebt und ist sehr gut darin, sprachliche Finessen im Deutschen äquivalent ins Englische zu übertragen. Es ist toll, zu sehen: Guck mal, es geht!

Gerade wenn Sie "Liebeslied" singen hat man den Eindruck, dass Sie unglaublich viele Sprachen sprechen. Aber wie viele sind es denn wirklich?

Ich kann relativ gut Deutsch, ich kann auch ganz gut Englisch, aber Englisch zu reden habe ich vor
allem erst nach der Schule gelernt. Ich war in London auf der Schauspielschule. Ich kann auch ein bisschen Französisch, aber besser verstehen als selber sprechen. Ich kann in vielen Sprachen natürlich auch ein paar Sachen sagen. Also, Danke, Hallo und Tschüss und sowas. Ich kann auch ein paar Sachen auf Türkisch sagen – ich lebe in Berlin-Kreuzberg.

Sind die Liebeslied-Strophen dann richtig ĂĽbersetzt oder nur notdĂĽrftig zusammengebastelt?

Die sind alle echt und wurden von Muttersprachlern ĂĽbersetzt und korrekturgelesen.

Auch von Klingonen?

Ja!

In Ihrem aktuellen Programm sagen Sie, das Wichtigste an einer Frau sei, dass sich ihr Name reimt. Was reimt sich auf Bodo?

Auf Bodo reimt sich leider nicht so viel. Auf "Bodo" nur "Rhodo ... dendron". Und da ist es dann auch schon zu Ende.

Haben Sie denn schon einmal ein Wort gefunden, auf das sich ĂĽberhaupt nichts reimt?

Es gibt mehrere Worte in der deutschen Sprache, die sich nicht reimen. Es gab mal eine Kolumne im Berliner Stadtmagazin Zitty, die „Primreim“ hieß und in der es darum ging, Reime auf Worte zu finden, auf die es eigentlich keinen Reim gibt. Da habe ich mich rege beteiligt, weil das natürlich eine riesige Herausforderung ist. Es gibt im Deutschen zum Beispiel keinen Reim auf das Wort "Onkel".

Herr Wartke, vielen Dank für das Gespräch.

von Julia Held und Marlene Kleiner
   

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