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 Hochschule
19.06.2010

Demokratie 2.0

Liquid Democracy: Das Internet als Werkzeug politischer Partizipation

Manche Gruppierungen im Internet sind davon überzeugt, dass die Parteiendemokratie überholt ist. Daher basteln sie seit Jahren an einer digitalen Lösung zur politischen Mitbestimmung. Jetzt trauen sich die ersten Modelle in die Testphase.

Manche Gruppierungen im Internet sind davon überzeugt, dass die Parteiendemokratie überholt ist. Daher basteln sie seit Jahren an einer digitalen Lösung zur politischen Mitbestimmung. Jetzt trauen sich die ersten Modelle in die Testphase.

Demokratische Mitbestimmung – für viele bedeutet es nur den vierjährlichen Gang zur Wahlurne. Seit der Explosion der Online-Gemeinschaften wird in Organisationen wie der Piratenpartei eine neue Spielart des politischen Engagements entwickelt, die vielleicht in der Unipolitik zum Tragen kommt: Die Liquid Democracy.

Dabei handelt es sich um ein System, das einen fließenden Übergang zwischen Parteiendemokratie und direkter Demokratie erlaubt. Was bedeutet das konkret? In der Parteiendemokratie entscheidet sich der Wähler bei seiner Stimmabgabe immer für ein Bündel an politischen Maßnahmen, die im Programm der jeweiligen Partei festgelegt sind. Das andere Extrem ist die direkte Demokratie, bei der die gesamte Bevölkerung für jede einzelne politische Entscheidung abstimmt.

Die Liquid Democracy bietet zwischen diesen beiden Gegensätzen alle erdenklichen Abstufungen der Mitbestimmung. Für den Bürger bedeutet das Freiheit in doppelter Hinsicht: Erstens die Freiheit sich mit seiner Stimme direkt an der Meinungsbildung zu beteiligen und zweitens die Freiheit sein auf sich persönlich zugeschnittenes System der Mitbestimmung auszusuchen.

Um dieses abstrakte System an einem Beispiel zu erläutern, stellt man sich einen Bürger vor, der sich beispielsweise mit Bildungspolitik auseinandersetzt. Er könnte zu jeder einzelnen Entscheidung in der Bildungspolitik seine Stimme abgeben. Beim Umfang eines solchen Themas wäre das nur mit viel Zeitaufwand und Interesse umzusetzen. Es könnte aber sein, dass derselbe Wähler sich bei Fragestellungen der Hochschulpolitik, die auch zu Bildung gehören, unsicher fühlt. Allerdings hat er einen Freund, der darüber ein umfangreiches Wissen besitzt. Daher nimmt er sich die Freiheit, seine Stimme zur Hochschulpolitik an diesen Freund zu übertragen, der bei diesem Thema die doppelte Gewichtung in seiner Stimme trägt. Dieser Freund ist nun ein Mittelsmann beziehungsweise ein Proxy.

Auch die Parteien können in diesem System eine Rolle spielen. Derselbe Wähler möchte sich noch mehr entlasten und liest sich mehrere Parteiprogramme mit Fokus auf Prüfungspolitik durch. Dabei stellt er fest, dass er mit der Linie der SPD in den meisten Punkten übereinstimmt und vertraut die meisten seiner Stimmen dieser Partei an.

Es gibt aber im SPD-Katalog zwei Punkte, die ihm überhaupt nicht gefallen. Hier kann er entweder erneut mit seiner eigenen Stimme entscheiden oder er überträgt sie an eine andere Partei, die seine Meinung eher repräsentiert. Für den Fall, dass der Wähler keine Zeit oder Interesse an politischem Engagement hat, steht es ihm ebenfalls frei, alle seine Stimmen an eine Person oder Partei seines Vertrauens zu übertragen.

Diese können mit ihren gesammelten Stimmen entweder abstimmen oder all ihre akkumulierte Macht erneut weiterreichen. Daher befindet sich die Vergabe der Stimmen in einem ständigen Fluss, weshalb es zu jeder politischen Entscheidung notwendig ist, eine Deadline zu setzen.

Die Umsetzung befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Wegen der enormen Flexibilität des Systems probieren die Schaffer der Liquid Democracy die praktische Umsetzung zwecks Übersicht nur im Bereich von zehntausenden Personen aus. In Heidelberg gehört die Liquid Democracy zu einen der Projekte der AGSM (AG für Studentische Mitbestimmung). Die AG plant das System schriftlich in der Ablaufordnung der Organisierten Studierendenschaft zu verankern.

Dies könnte in Zukunft bedeuten, dass Gremienwahlen und Wahlzettel obsolet werden.Stattdessen besäße jeder Student einen eigenen Account mit einer Oberfläche, die vergleichbar ist mit Plattformen wie Facebook oder StudiVZ.

Statt Freunde, Gruppen oder Kontakten organisiert der Student stattdessen seine Stimmen, deren (Um-)Verteilung und politische Gruppen. Damit bietet die Liquid Democracy jedem die Möglichkeit, sich intensiv mit der Unipolitik auseinanderzusetzen, ohne dass er einer hochschulpolitischen Gruppe beitreten muss. Vielleicht genau der richtige Schritt zu mehr politischem Engagement.

 

 

von Xiaolei Mu
   

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