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 Heidelberg
03.05.2010

Braucht Heidelberg den Anbau?

Der geplante Anbau der Stadthalle polarisiert die Bevölkerung

Im März beschloss der Gemeinderat die Stadthalle mit einem Anbau zu erweitern. Die Entscheidung spaltet die Heidelberger Bürgerschaft. Reinhard Lask und Gabriel A. Neumann streiten stellvertretend für Kritiker und Befürworter.

Im März beschloss der Gemeinderat die Stadthalle mit einem Anbau zu erweitern. Die Entscheidung spaltet die Heidelberger Bürgerschaft. Reinhard Lask und Gabriel A. Neumann streiten stellvertretend für Kritiker und Befürworter.

JA

Reinhard
Lask

NEIN

Gabriel A.
Neumann

Wie wirtschaftlich notwendig ein modernes Kongresszentrum ist, bezweifeln selbst Kritiker des geplanten Anbaus nicht. Nur wollen sie ihn nicht in der Altstadt haben. Dabei geht es vor allem darum, den Museums-Charakter der Altstadt zu wahren. Über Ästhetik kann man streiten, aber was die architektonischen Bedenken vieler Kritiker angeht, sind die im Architektenwettbewerb des Anbaus, so weit es geht, berücksichtigt worden.

Kritiker bemängeln auch, dass die Lebensqualität in der Altstadt durch den Anbau leiden würde. Doch das Gegenteil wäre der Fall. Die erweiterte Stadthalle zöge mehr Kongresse und damit zahlende Gäste in die Altstadt. Das wiederum brächte eben die zahlenden Gäste, die Gastronomen und Geschäfte gerade in der Altstadt dringend benötigen. Seit Jahren schließt dort ein Traditionsgeschäft nach dem anderen, Billigläden und Ketten prägen die Hauptstraße. Mehr Kongressgäste aus aller Welt könnten diese Entwicklung aufhalten und Heidelbergs Innenstadt wiederbeleben. Der Kongressstandort Altstadt könnte das erreichen: Kongresse mitten in romantischer Altstadt-Atmosphäre mit kurzen Wegen zu Geschäften und Lokalen. Er wäre ein Publikumsmagnet.

Ein größerer Neubau außerhalb der Altstadt lohnt sich gerade aus diesem Blickwinkel nicht. Lange war dabei der Bahnhofsvorplatz als Alternative im Gespräch. Diese Lösung mag verkehrstechnisch leichter erreichbar sein, aber Kongresse mit Blick auf eine viel befahrene Kreuzung und einen Bahnhof – das findet man in jeder Stadt. Hinzu kommt, dass sich mit dem Mannheimer Rosengarten oder dem Ludwigshafener Kurpfalzbau zwei harte Konkurrenten auf dem Kongressmarkt in unmittelbarer Nähe befinden. Etliche Kongresse, die früher in Heidelberg stattfanden, sind längst abgewandert, weil die Heidelberger Stadthalle zu klein für heutige Ansprüche ist. Mit maximal 1200 Teilnehmern wird der Anbau weiterhin nur für mittelgroße Kongresse interessant. Auch die bisherige Stadthalle bietet so viel Platz, doch heutige Kongresse benötigen zusätzliche Fläche für themenspezifische Ausstellungen. Den kann die alte Stadthalle nicht bieten.

Die Altstadt nur als architektonisches Museum zu erhalten, hilft niemandem weiter. Heidelberg hat nur wenige Wirtschaftsfaktoren. Tourismus und der Ruf als Wissenschaftsstadt ist dabei extrem wichtig. Nachdem nun auch die Touristen immer spärlicher nach Heidelberg kommen, braucht es einen weiteren Magneten: Die erweiterte Stadthalle wäre ein dringend benötigtes Zugpferd.

Einen Kongress in Uni- und Schlossnähe kann keine andere Stadt bieten. Ein Kongresszentrum „auf der grünen Wiese“ zu bauen wäre Geldverschwendung und würde das Abwandern zur Konkurrenz nicht aufhalten.

Heidelberg, ein Sommermärchen: Im Taumel der Weltmeisterschaft 2006 beglückt die Heidelberger Stadtverwaltung die Bürger mit der Mitteilung, dass die Deutschlandfahnen, die aus den Fenstern der Altstadt wehen, dort für die Dauer des Wettbewerbs bleiben dürfen. Keine Selbstverständlichkeit in einer Stadt, deren Vertreter sonst peinlich genau darauf achten, dass nichts den Anblick der Altstadt verschandelt.

Keinem Märchen entsprungen erscheint vielen Heidelbergern der Architekturentwurf zur Erweiterung der Stadthalle. Die Vorlage zeigt einen Klotz mit der ästhetischen Kühnheit eines Schuhkartons, dessen Fassade manchen an eine Nazi-Ehrenhalle erinnern mag, wenn auch Sandsteinrot den Spritzbeton ersetzt. Der Anbau droht durch seine exponierte Lage am Neckarufer das Stadtbild auf besonders drastische Weise zu beschädigen. Da hilft es auch nicht, wenn Oberbürgermeister Eckart Würzner in seiner jüngsten Erklärung darauf verweist, dass am derzeitigen Entwurf noch „Anpassungen und Veränderungen“ vorgenommen werden sollen.

Offen bleiben dagegen Fragen, die bei Überlegungen eines größeren Veranstaltungsortes zuerst stehen sollten: Ein Verkehrskonzept, angesichts der Überlastung der Neckarstaden, gibt es nicht. Im Architekturentwurf trennt keine Straße Kongresszentrum und Neckarufer, der Entwurf nimmt das Großprojekt „Stadt am Fluss“ vorweg. Doch dieses Vorhaben ist bisher nur eine schöne Vision. Im Wettbewerb mit dem Mannheimer Kongresszentrum Rosengarten hätte eine nur per Tunnel erreichbare Stadthalle das Nachsehen.

Für das Rathaus ist die Frage nach der Finanzierung ausschlaggebend für den Standort Altstadt: Für ein Kongresshaus am Hauptbahnhof finde sich kein Großinvestor, so Würzner. Leider gibt es den auch für die Stadthalle nicht. Profitieren wollen Hoteliers und Gastronomen – bezahlen sollen die Heidelberger. Das rund 21.000 Bürger gegen die Erweiterung unterschrieben, verbucht die Bürgerinitiative „Biest“, zu Recht als Erfolg. Nur wenige Studierende haben sich daran beteiligt, denn die Unterschriftenkampagne fiel in die vorlesungsfreie Zeit.

Geben auch die Universitätsangehörigen beim Bürgerentscheid in drei Monaten ihre Stimme gegen die Erweiterungspläne der Stadthalle ab, kann wieder über den Standort am Hauptbahnhof nachgedacht werden. Dort gibt es nicht nur eine vorbildliche Anbindung an Autobahn und Schiene, sondern auch Platz, um das für einen konkurrenzfähigen Veranstaltungsort nötige Hotel zu bauen, und dort ist man im Zentrum des Campus Bergheim, des Neuenheimer Feldes und der Bahnstadt. Konferenzteilnehmer, die Zeit haben sollten, shoppen zu gehen, werden sich um so mehr über den Anblick der unverbauten Altstadt freuen.

von Reinhard Lask und Gabriel A. Neumann
   

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