03.05.2010
„Man muss den Menschen Grenzen setzen“
Runder Tisch erstellt umfangreichen Maßnahmenkatalog
Der Runde Tisch „Pro Altstadt“ hat eine öffentliche Diskussion über die Altsatdt erzeugt, die lange überfällig war. Der von ihm ausgearbeitete Maßnahmenkatalog, stellt eine Gefahr für das Nachtleben in der Altstadt dar.
Der Runde Tisch „Pro Altstadt“ hat eine öffentliche Diskussion über die Altsatdt erzeugt, die lange überfällig war. Der von ihm ausgearbeitete Maßnahmenkatalog, stellt eine Gefahr für das Nachtleben in der Altstadt als Ganzes dar.
Karin Werner-Jensen lehnt sich zurück und lässt sich die Sonne auf ihr Gesicht scheinen. Ob sie zufrieden sei mit dem Runden Tisch? „Wichtig ist, dass uns die Stadt endlich ernst nimmt“, sagt sie.
Die LindA-Sprecherin hat in den vergangenen Monaten viel erreicht. „Unser Kunststück war, die vielen Bürgerinitiativen der Altstadt, die sich seit Jahren gegen Lärm und Dreck wehren, zu LindA zusammen zu schließen“. Als Oberbürgermeister Eckhard Würzner den Runden Tisch „Pro Altstadt“ Ende 2009 ins Leben rief, hat er damit auf den öffentlichen Druck von LindA reagiert. Vorher noch hatte der OB seinem vierten Bürgermeister Wolfgang Erichson verboten, zu einer Podiumsdiskussion von LindA zu gehen, erzählt Werner-Jensen. „Die Stadt hat sich jetzt offen gegeben“, ergänzt ihr Kollege Michael Wachter.
Am Runden Tisch diskutierten Würzner und die Stadtverwaltung zusammen mit Bürgerinitiativen, Wirten, Hoteliers und der Fachschaftskonferenz (FSK) die Probleme und suchten nach Lösungen. Von einem Erfolg könne man erst sprechen, wenn es leiser geworden sei, fügt Werner-Jensen hinzu. Jetzt komme es auf die Umsetzung des Katalogs an. „Wir haben immer gesagt, dass es sich um ein Vollzugsdefizit handelt“, betont sie. Den Lärm der Feiernden kann man einzelnen Gaststätten nicht zuordnen und den einzelnen Feiernden schwer eine Lärmbelästigung nachweisen. „Die Koordination zwischen Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst funktioniert nicht“, beklagt Werner-Jensen. Oft sei keiner bereit, in der Altstadt einzuschreiten.
Die LindA-Mitglieder treibt die Frustration. „Leben in der Altstadt ist in manchen Teilen kaum möglich“, erklärt Joachim Förster, Vorsitzender des Vereins Alt-Heidelberg, der auch zu LindA gehört und mit am Runden Tisch saß. Lärmmessungen aus der Kettengasse von 2009 zeigten, dass es dort nachts in der Regel lauter ist als am Tag. „Man muss den Menschen wieder Grenzen setzen“, meint Werner-Jensen. Den Nachtschwärmern müsse klar werden, dass in der Altstadt Menschen leben, die morgens früh aufstehen und arbeiten müssen. Sie ist überzeugt, dass in der Altstadt über einen verstärkten Einsatz von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst hinaus schärfere Maßnahmen, wie ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen erforderlich seien.
Doch diese Forderungen stoßen den Gegnern des Katalogs bitter auf. Neben dem Alkoholverbot geht es unter anderem um die Verlängerung der Sperrzeit, Lärmschutzauflagen für Kneipen, weniger Außenbewirtschaftung und Obergrenzen bei den Besucherzahlen der Lokale. Zudem sollen „uneinsichtige Wirte“ mit verlängerten Sperrzeiten oder Musikverboten bestraft werden, Störer Aufenthaltsverbote erhalten und „Problembereiche“ in der Nacht ausgeleuchtet werden. „Das grundsätzliche Ziel des Maßnahmenkatalogs ist, das Nachtleben unattraktiv werden zu lassen“, kritisiert Yannick Zundl (FSK). „Generell war der Runde Tisch eine gute Sache“, resümiert er. Dass alle Parteien zusammengetreten sind, habe gegenseitiges Verständnis geschaffen. „Rumgrölen und Urinieren waren immer verboten. Dafür braucht man keine neuen Regeln“, sagt Fabian Herbst von der Bürgerinitiative „Rettet Heidelberg“. Nur müsse die Stadt diese Regeln durchsetzen. „Es darf nicht sein, dass die Mehrheit unter den Verstößen Weniger leiden soll und pauschal verurteilt wird“, stimmt Olivier Henry zu, Vorsitzender der Jungen Union Heidelberg.
Alle drei sehen auch sinnvolle Vorschläge im Katalog: Neue öffentliche Toiletten in der Altstadt, zusätzliche Nachtbusse und Streetworker seien gute Ideen. „Aber wenn es darum geht, in der Unteren Straße ‘Qualitätsgastronomie’ anzusiedeln, können wir dem als Studentenvertretung nicht zustimmen“, erklärt Zundl. Weit hergeholt erscheinen ihre Befürchtungen nicht. Sind ein öffentliches Alkoholverbot erst durchgesetzt, die Musik leiser gedreht und die ramschigen Kneipen durch Cocktailbars ersetzt, dürfte die Altstadt rasch frei sein von lärmenden Säufern und Dreck. Den jungen Leuten in Heidelberg werden kaum Alternativen bleiben: Die Halle02 wird geschlossen und für die Villa Nachttanz und das Bahnbetriebswerk liegen noch keine Lösungen vor.
„Die Verbote“, sagt Zundl, „werden die Probleme vielleicht abmildern können, aber sie aber letztendlich nur verlagern.“ Ebenso wie LindA-Sprecherin Werner-Jensen sieht Zundl eine wesentliche Ursache der Altstadt-Probleme in dem ausufernden Alkoholkonsum vieler junger Leute und deren Bedürfnis, jeden Abend exzessiv feiern gehen zu müssen. „Das ist eine gesellschaftliche Frage“, meint Zundl. Eine Auseinandersetzung darüber sei nachhaltiger als Verbote aufzustellen, und müsse über den Maßnahmenkatalog hinausgehen. Dieses Anliegen will Zundl auch kommende Woche im Vernetzungstreffen vortragen, dass alle Gegner des Maßnahmenkatalogs - darunter auch die Gemeinderatspartei generation.hd und der Jugendgemeinderat - zusammenführen soll.
Nachdem in den vergangenen Monaten die Anliegen der Altstadtbewohner im Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung standen, wollen die Gruppen öffentlich darauf aufmerksam machen, dass der Maßnahmenkatalog in Heidelberg auf breite Ablehnung stößt, und alternative Lösungsansätze entwickeln. Fabian Herbst ist überzeugt: „Das Nachtleben in der Altstadt ist ein schützenswertes Kulturgut, und kein Missstand, den es zu beseitigen gilt.“
von Max Mayer