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 Hochschule
03.05.2010

Konservative ohne Stimmrecht

Der Austritt Julia Dingemanns kostet den RCDS seine Gremiensitze

Im "vorläufigen Finanzausschuss" krachte es im Februar gewaltig. Kurz nach der letzten Sitzung des Wintersemesters trat die Vorsitzende Julia Dingemann aus dem RCDS aus. Damit waren die Konservativen weder im AStA noch im vFA stimmberechtigt.

Im „vorläufigen Finanzausschuss“ (vFA) krachte es im Februar gewaltig. Kurz nach der letzten Sitzung des Wintersemesters trat die Vorsitzende Julia Dingemann aus dem RCDS aus. Damit waren die Konservativen weder im AStA noch im vFA stimmberechtigt.

Erik Bertram und Julia DingemannAlles begann mit den Gremienwahlen im Juni 2009. Julia Dingemann, damals noch stellvertretende Vorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), zog in den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) ein. Ein Gremium, das sich jahrelang einmal in der Legislaturperiode traf, einen Haushalt absegnete und alles weitere den Sitzungen der Fachschaftskonferenz (FSK) übertrug. 

So war es mehr als 20 Jahre lang. Doch diesmal lief es anders. Die FSK-Liste hatte bei den Gremienwahlen die absolute Mehrheit im AStA verloren und fand keinen Partner, der ihr Heidelberger Modell unterstützte. Die Hochschulgruppen RCDS, Liberale, Grüne und Jusos hatten eine "große Koalition" geschmiedet, um selber mitbestimmen zu können. Das Resultat war der "vorläufige Finanzausschuss", der den AStA-Etat in Höhe von knapp 42.000 Euro verwaltet.

Die FSK-Liste, mit fünf von elf AStA-Mandaten die stärkste Fraktion, blieb bei der Ämtervergabe außen vor. Konflikte zwischen Hochschulgruppen und Fachschaftskonferenz schwelten seit Monaten. Die Gruppen vereinbarten, dass Grüne und Jusos sich den AStA-Vorsitz teilen, Julia Dingemann wurde Vorsitzende des Finanzausschusses, Dorotheea Cazan von der Liberalen Hochschulgruppe ihre Stellvertreterin. Die FSK-Vertreter blieben den Sitzungen fern.

"Wir wollen keine Gelder verschwenden", beschreibt Dingemann ihre Arbeit im Finanzausschuss. "Zu FSK-Zeiten gab es fragwürdige Ausgaben, wie 500 Euro für Zelte", erklärt sie und betont, dass der neue Ausschuss maximale Transparenz schaffen wolle. Transparenz, die es im FSK-System ihr zufolge nicht gab. Doch die große Koalition wurde bald von einem ganz anderen Konflikt erschüttert: dem "zwischen" RCDS und Julia Dingemann. 

Linke Zeitung spaltet den RCDS

Einer der ersten vFA-Anträge behandelte den Etat der Zeitung "UNiMUT". Diese beantragte 7.000 Euro Druckkosten für das Wintersemester. Die linke Zeitung war lange das inoffizielle FSK-Organ und beim RCDS unbeliebt. Doch Dingemann stimmte für den Etatposten. "Weil ich Pluralismus befürworte", sagte sie dem ruprecht, "jedoch halte ich die Höhe der Unterstützung für viel zu hoch. Der Unimut muss sich in Zukunft zu einem viel höheren Anteil anderweitig finanzieren".

Dingemanns "Ja" zum Unimut missfiel vielen ihrer Kollegen im RCDS, die der linkslastigen Zeitung keine studentischen Mittel zugestehen wollten. Dingemann handelte sich massive Kritik aus ihrer Gruppe ein: "Julia hat die Gruppe nicht informiert, was in den Sitzungen passiert ist", sagt der Heidelberger RCDS-Vorsitzende Erik Bertram. Das freie Mandat Dingemanns sei nicht das Problem gewesen. "Wir haben ihre Entscheidungen respektiert, auch wenn viele von uns sich andere Entscheidungen gewünscht hätten." Bertram nennt es Entfremdung. Dingemann sieht das anders. "Nach der Unimut-Entscheidung hieß es, ich solle mehr Rücksicht auf den Willen des RCDS nehmen", erinnert sie sich. Sie spricht von "Mobbing".

Kurz nachdem der Unimut seinen Etat bewilligt bekam, beantragte der RCDS Gelder für die "Anschubfinanzierung" einer "liberal-konservativen" Zeitschrift". "Das war eine üble Aktion", sagt Dingemann. Mit einer Juso-Gegenstimme stimmte der Ausschuss dem Antrag trotzdem zu. Kein Ausschussmitglied war glücklich mit der Entscheidung, doch es überwog das Argument, dass man anderen nicht verweigern könne, was man dem Unimut gerade bewilligt hat. Doch damit nicht genug: Kurz nach dem RCDS-Antrag, folgte ein Antrag des pogo-anarchistischen RDCS (Ring Chaosdemokratischer Studierender). Auch dieser wollte Geld für seine neue „pogo-anarchistische“ Zeitschrift. Kostenpunkt: runde 1000 Euro.

"Das war genauso ein Unsinn, den wir aber auch nicht plötzlich verweigern konnten", kommentiert die vFA-Vorsitzende, die sich bei dieser Abstimmung darüber der Stimme enthielt. RCDS-Chef Bertram sieht das ganz anders: Der Grundsatz "gleiches Recht für alle" gelte hier nicht, weil der pogo-anarchistische RDCS verfassungsfeindliche Ziele habe. "Diese Zeitung hätte der Ausschuss verhindern müssen", betont er. "Es stimmt nicht, dass wir unsere Zeitschrift wegen der Unimut-Gelder beantragt haben." Die Idee habe es seit Jahren gegeben. Nach den Gremienwahlen sah man den richtigen Zeitpunkt gekommen, das Projekt in Angriff zu nehmen. 

Mobbing oder Entfremdung?

Da die Fronten zwischen Dingemann und ihrer Gruppe verhärtet waren, legte sie ihr Amt als stellvertretende RCDS-Vorsitzende nieder; im Finanzausschuss wollte sie bleiben. Für Bertram ein Zeichen dafür, dass nicht seine Kollegen Dingemann gemobbt hätten, sondern sie sich von der Gruppe entfernt hatte.

Da Dingemann ihre Parteiämter aufgegeben hatte, sollte sie ihren Sitz im Finanzausschuss räumen. Ende Dezember wählten die Konservativen Peter Braun zum neuen RCDS-Delegierten im Finanzausschuss; Dingemann sollte gehen. In der Januar-Sitzung des vFA kam es zum Eklat, als der RCDS mit einer fünfköpfigen Delegation teilnahm und Braun als neues stimmberechtigtes Mitglied präsentierte. Dingemann und die anderen Hochschulgruppen lehnten ab. Dingemann sei gewähltes AStA-Mitglied und vFA-Vorsitzende. Punkt. Für Bertram ein Skandal: "Der vFA führt seine eigene Satzung ad absurdum", sagt er. "Der Wähler hat uns als RCDS den Auftrag gegeben mitzubestimmen", kritisiert er den Finanzausschuss.

Tags darauf trat Dingemann ganz aus dem RCDS aus. Die Hochschulgruppen bestätigten sie als Ausschussvorsitzende. "Alle Gruppen haben mich nach dem Austritt unterstützt und mir politisches Asyl angeboten", erklärt sie. Bis heute ist Dingemann parteilos geblieben und der RCDS hatte sein Stimmrecht im AStA und im vFA verloren.

Obwohl im Finanzausschuss relative Ruhe eingekehrt ist, steht er auf tönernen Füßen. Wenn die Hochschulgruppen bei den Gremienwahlen am 29. Juni 2010 ihre Mehrheit im AStA verlieren, könnte der Finanzausschuss bald Geschichte sein. Julia Dingemann fände es schade, wenn der vFA den Sommer nicht überleben würde. Sie hält es für wünschenswert, dass der vFA so lange überlebt, bis es an der Uni eine alternative, wirkliche Studierendenvertretung gibt. „Wir haben gute Arbeit geleistet und endlich Transparenz in die studentische Finanzverwaltung gebracht“, sagt sie. Doch auch sie glaubt nicht daran, dass der Ausschuss eine Chance hat, wenn die FSK im Sommer die absolute Mehrheit erhält – oder eine der Hochschulgruppen dann wieder das alte Rätesystem unterstützt. 

Kompromiss mit Hochschulgruppen?

Hinter den Kulissen bahnt sich ein Kompromiss an, der Hochschulgruppen und FSK zusammenführen könnte: Es geht um ein "erweitertes Rätemodell" der Fachschaftskonferenz. Bisher hat darin jede Fachschaft eine Stimme. In Zukunft sollen die Hochschulgruppen ebenfalls mit je einer Stimme in den Sitzungen der Fachschaftskonferenz vertreten sein.

Dass die Hochschulgruppen sich auf diesen Kompromiss einlassen werden, hält RCDS-Chef Erik Bertram für unwahrscheinlich: "Da die Fachschaften dort die überwiegende Mehrheit hätten, glaube ich nicht, dass die  Hochschulgruppen diese Idee gut finden." Völlig ausschließen will er solch einen Kompromiss nicht, sondern diesen genau prüfen.

von Reinhard Lask
   

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