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 StudiLeben
06.12.2011

Ein Jahr Simon B.

Aufklärung scheitert an Geheimhaltung

Der verdeckte Ermittler "Simon Brenner" zu Besuch bei damaligen Freunden / Foto: Axel Malsch

Am 12. Dezember jährt sich die Enttarnung des Verdeckten Ermittlers Simon B. Der Fall rief bundesweit Politiker und Überwachungsgegner auf den Plan, die eine umfassende Aufklärung und die Überprüfung der Rechtmäßigkeit forderten. Viel bewegt hat sich seither nicht.

Am 12. Dezember jährt sich die Enttarnung des verdeckten Ermittlers Simon B. Der Fall rief bundesweit Politiker und Überwachungsgegner auf den Plan, die eine umfassende Aufklärung und die Überprüfung der Rechtmäßigkeit forderten. Viel bewegt hat sich seither nicht.

Vor einem Jahr, da verliefen die Fronten noch eindeutig. SPD und Grüne, damals noch Opposition im baden-württembergischen Landtag, forderten lautstark die Aufklärung des Einsatzes von Simon B. als verdeckter Ermittler. Die schwarz-gelbe Regierung indes mauerte.

Der vermeintliche Linksaktivist und Student Simon B. war im Dezember 2010 von der Kritischen Initiative (KI), einer studentischen Gruppe als verdeckter Ermittler enttarnt worden. Der Polizist war über eine zufällig wiedergetroffene Urlaubsbekanntschaft gestolpert. Die KI behauptet Simon B. habe ihnen verraten, dass sein Einsatz auf mehrere Jahre angelegt gewesen sei und eigentlich der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) gegolten hat. Einen konkreten Strafverdacht, zu dem er ermitteln sollte, habe es nicht gegeben.

Der Einsatz des verdeckten Ermittlers warf und wirft dabei zahlreiche Fragen auf. Noch immer ist unzureichend geklärt, wem genau der Einsatz gegolten hat. Auch die Diskussion um die Rechtmäßigkeit des Einsatzes ist nach wie vor ohne Ergebnis.

Kurz nach Bekanntwerden des Falles richteten Abgeordnete der damaligen Oppositionsparteien Grüne und SPD mehrere Kleine Anfragen an die schwarz-gelbe Landesregierung. Auch der heutige Innenminister Reinhold Gall (SPD) beteiligte sich an einer solchen Anfrage. Die Antworten auf diese Anfragen fielen jedoch unter Berufung auf Geheimhaltungskriterien dürftig aus.

Im März kam der Regierungswechsel, und mit der schwarz-gelben Regierung schwand auch der Widerstand gegen die Geheimhaltung. Die grün-rote Regierung mit Innenminister Gall mauerte plötzlich ebenso wie CDU-Vorgänger Heribert Rech.

„Die Landesregierung hat nach meiner Kenntnis im Rahmen der rechtlich zulässigen Möglichkeiten alles getan, um den Fall des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers in Heidelberg aufzuklären. Nach meiner Einschätzung sind alle Fragen im Zusammenhang mit diesem Fall beantwortet“, so der SPD-Abgeordnete Walter Heiler, Vorsitzender des Innenausschusses, gegenüber dem ruprecht.

Bekannt ist mittlerweile, dass der Einsatz auf Grundlage von Paragraf 22 Absatz 3 des Polizeigesetzes zur Vorbeugung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erfolgt sein soll. Dabei hat Simon B. nach Angaben des Innenministeriums Daten von insgesamt elf Personen erhoben. Vier von ihnen seien inzwischen über die Erhebung unterrichtet.

Der Einsatz habe sich weder gegen die „linke Szene“ allgemein noch die AIHD als Organisation gerichtet, betont auch der Innenausschussvorsitzende Walter Heiler (SPD). Diese Interpretation teilt die KI nicht. „Der verdeckte Ermittler Simon B. war in vielen Gruppen aktiv“, schreibt sie in einer Stellungnahme.

Ebenfalls umstritten ist nach wie vor, ob der Einsatz des verdeckten Ermittlers rechtmäßig war. Nach Paragraf 22 sind konkrete Hinweise auf die Planung oder das Begehen von „Straftaten mit erheblicher Bedeutung“ Grundlage einer Observierung. Die KI-Aktivisten als auch die AIHD bestreiten diesen Vorwurf vehement.

Von politischer Seite bemühte sich zuletzt nur noch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Hans-Ulrich Sckerl, um weitere Aufklärung. Im September stellte er im Landtag eine weitere Kleine Anfrage, deren Antwort wieder dürftig ausfiel. Auch Sckerl wirkt erschöpft. In einem Interview mit dem linksgerichteten Radio Dreyeckland gab er kürzlich an, dass die Grenzen parlamentarischen Handelns erreicht seien. Das Ministerium habe in dieser Angelegenheit „Geheimhaltungskriterien“ verhängt, gegen die auch ein Untersuchungsausschuss nicht ankommen könne.

An diesen „Geheimhaltungskriterien“ droht nun auch das Gerichtsverfahren zu scheitern, mit dem Betroffene eine umfassende Aufklärung des Einsatzes und die Feststellung seiner Unrechtmäßigkeit anstreben. Die Heidelberger Polizeidirektion hat bereits Sperrvermerke der Akten zur Anordnung des Einsatzes beantragt. Sollte dem stattgegeben werden, würden die Akten weder dem Anwalt der Betroffenen noch den zuständigen Richtern zur Verfügung gestellt.

Die KI geht angesichts der unklaren Fronten in die Offensive. Anlässlich der Innenministerkonferenz und dem Jahrestag der Enttarnung haben die Aktivisten vom 12. bis 16. Dezember eine Aktionswoche organisiert. Sie soll die Mauer aus Schweigen mithilfe der Öffentlichkeit durchbrechen. Den Abschluss bildet am 17. Dezember eine große Demonstration.

von Simone Mölbert
   

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