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In Eigenliebe erstarrt

Good-bye Jahrtausendwende: Das Buch zum Lifestyle

Sascha Lobos „Strohfeuer“ wird als „Debütroman“ beworben. Irreführend bei einem Autor, der schon einige erfolgreiche Ratgeber und wortreiche Webpräsenzen erdacht hat und dessen bisherige Twittereinträge für fünf Romane reichen würden.

Sascha Lobos „Strohfeuer“ wird als „Debütroman“ beworben. Irreführend bei einem Autor, der schon einige erfolgreiche Ratgeber und wortreiche Webpräsenzen erdacht hat und dessen bisherige Twittereinträge für fünf Romane reichen würden.

Schnell entsteht der Verdacht, dass Lobos neuer Roman nur deshalb Leser findet, weil man um den permanent in eigener Sache werbenden Autor mit der Punkfrisur nicht mehr drumrum kommt. Selbst auf dem Cover ist er abgebildet - ja, ist die Ich-Figur am Ende gar das Alter Ego des Autor? Eine Spekulation, die an dieser Stelle nicht vertieft werden soll.

Vielleicht liegt es ja auch an dem Twitter-Diktat der 140 Zeichen, dass Lobo die Sätze möglichst kurz hält. Eine Orgie zu dritt klingt so: „Wir gerieten ins Vögeln“ - da wäre sogar noch Platz gewesen. Lieblingsausdrücke der Protagonisten sind „zack“, „krass“, „fuck“ und „bupp“. So zackig wie die drauf sind, so schnell hat man das Buch auch gelesen, das ja auch nicht umsonst „Strohfeuer“ heißt.

Da machen wir auch mal schnell weiter und sagen kurz was zum Inhalt: In „Strohfeuer“ geht es um die Tricks selbsternannter geldgieriger Marketing-Experten in der Zeit der „New Economy“. Hauptfigur Stefan, der schon auf dem Pausenhof Riesengeschäfte mit Murmeln machte, hat sich selbst zum Trendscout ernannt. „Eine tolle Branche! dachte ich und erfand die Summe 16.450 DM. Mein erstes Angebot war fertig.“

Wer die größte Klappe hat, macht den größten Umsatz. Wer im Wochentakt neue Mitarbeiter einstellt, wer nicht nur die Stadt, sondern gleich die ganze Welt mit seinen Produkten bewirbt und wer anstatt am Geldautomaten vorbeizuschauen sich eine Summe im Casino auszahlen lässt, dem kann so schnell keiner was vormachen.

Lustig sind aber eher die Slapstick-Episoden, in denen sich die vermeintlichen Helden zum Affen machen, zum Beispiel auf einer Fahrt zum Kunden in einem Auto ohne Fußbremse, Kupplung und Gangschaltung. Dennoch kommt der Leser nie dahinter, soll er mit den Helden lachen oder über sie?

Der Autor schreibt zwar seiner Hauptfigur hin und wieder etwas Herz zu. Immerhin lebt Stefan trotz aller Eskapaden in einer festen Beziehung, die er nicht verlieren möchte. Aber das klingt so: „Nach wie vor war ich in sie verliebt, weil sie so viel Energie hatte und so hübsch war.“ Auch die immer wieder ins Feld geführte Behauptung, der jüngere Stefan sei kein ganz so abgebrühtes Schlitzohr wie der ältere Kollege Thorsten finden sich kaum Beweise, hecken sie doch alle Coups gemeinsam aus.

Der Autor zeichnet in Geldgier und Eigenliebe erstarrte Gestalten, die keine Konturen gewinnen, was daran liegen mag, dass dem Autor, der selbst in einer Marketingagentur arbeitete, schlichtweg der Abstand fehlt. Beim Leser bleibt demnach kein bleibender Eindruck einer dekadenten Szenerie mit entsprechenden Sexszenen, absurden Kaufverträgen und wilden Partys haften, sondern nur die kleinen Momente der Albernheit, etwa wenn Stefan eine Internetseite findet, die Benzin zum Downloaden anbietet, oder wenn er dem erfahreneren Thorsten gesteht: „Internet und ich, wir kennen uns nur so vom Sehen.“

Vielleicht war das ja Lobos erster Twitter-Eintrag.

von Cosima Stawenow