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 Interview
10.05.2011

Weniger zahlen, mehr Stimmrecht

Die neue Wissenschaftsministerin Theresia Bauer im ruprecht-Interview

Theresia Bauer

Theresia Bauer

Theresia Bauer ist parlamentarische Geschäftsführerin und hochschulpolitische Sprecherin der Grünen im baden-württembergischen Landtag. Sie studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Germanistik in Mannheim und Heidelberg und verdiente sich im Uni-Senat und Verwaltungsrat erste politische Sporen. Dem grün-roten Kabinett wird sie nun als Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst angehören.

Das Gespräch führten Julia Held und Jenny Genzmer

ruprecht: Frau Bauer, wann werden die Studiengebühren denn nun abgeschafft?

Theresia Bauer: Zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Das ist das Sommersemester 2012.

Kann da noch was dazwischenkommen?

Nein, das ist beschlossene Sache. Da kommt nichts dazwischen.

Wie sollen die Studiengebühren kompensiert werden?

Durch allgemeine Mittel aus dem Landeshaushalt. Wir haben ein erhöhtes Budget an Steuereinnahmen prognostiziert, deshalb können wir das auch erstmal finanzieren. Es kommt nicht aus dem globalen Haushalt der Universitäten. Es wird also nicht an anderer Stelle den Universitäten entnommen.

Werden die Studiengebühren zu 100 Prozent durch Steuereinnahmen ersetzt?

Das muss noch genau überprüft werden. Grundsätzlich haben wir uns darüber geeinigt, dass die Universitäten mit den gleichen Einnahmen, die sie momentan haben rechnen können und dass diese angesichts der steigenden Studierendenzahlen auch wachsen.

Haben diese sogenannten Kompensationsmittel den gleichen „Verwendungszweck“ wie die Studiengebühren?

Ja, diese Mittel wollen wir weiterhin an Studium und Lehre binden und wollen sie auch so vergeben, dass Studierende mitreden können - und zwar im Einvernehmen zwischen Hochschulleitung und Studierenden. Ich denke die Studiengebühren waren eine gute Übung, sich darüber auseinanderzusetzen, was vor Ort gebraucht wird und wie Studierenden mehr Mitspracherecht zuteil wird, als in anderen universitären Gremien. Das wollen wir beibehalten. Weitere Vorgaben wollen wir nicht machen.

Werden die Gelder also in den Fächern vergeben, in deren Gebührenkommissionen die Studierenden mitbestimmen?

Das Verteilungsmodell müssen sich die Hochschulen weiterhin selbst überlegen. Das werden wir nicht vorgeben, sondern der Tradition vor Ort anheim stellen.

Kann man die Gelder gerechter auf Natur- und Geisteswissenschaften verteilen?

Das ist möglich, wenn sich der Senat einer Hochschule dazu entscheidet. Ich glaube man muss vor Ort dafür sorgen, dass es nicht zu Schieflagen kommt. Wir als Regierung sollten nicht alles vorgeben und Raum für Debatten und Aushandlungsprozesse lassen. Aber ich habe viele Sympathien dafür, dass man so etwas auch diskutiert und dass nach vielen Jahren, in denen die Geisteswissenschaften nicht so hoch im Kurs standen, einen Ausgleich schaffen wird. Die Verteilung der Gelder wollen wir jedenfalls transparenter gestalten.

Das hat bei den Studiengebühren schlecht funktioniert. Wie kann man das in Zukunft verbessern?

Wir müssen uns noch genau ansehen, wie man ein geeignetes System für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit herstellt. Studierende müssen die Möglichkeit haben, die Entwicklungen und Veränderungen an der eigenen Hochschule über Jahre hinweg und vielleicht auch über ihr eigenes Studium hinweg vergleichen zu können. Die Universität Heidelberg muss vergleichen können, wie die Vergabe im Vergleich zu Karlsruhe oder einer anderen Hochschule ist. Das muss mit einem vertretbaren Aufwand sichergestellt werden. Ohne Information und Transparenz findet Beteiligung nicht statt. Das werden wir sehr ernst nehmen, weil wir eine andere Kultur des Miteinanders und der Auseinandersetzung der Hochschulmitglieder untereinander herstellen wollen.

Für welchen Zeitraum sind die Kompensationsmittel angedacht?

Wir haben keine zeitliche Befristung festgelegt. Es wäre auch gewagt, zu behaupten, dass das noch die nächsten 100 Jahre so bleibt. Wir werden unsere Erfahrungen damit machen, wie das funktioniert. Wir haben für die Grundfinanzierung der Hochschulen einen sogenannten Solidarpakt, der Ende 2014 ausläuft. In diesem Zusammenhang müssen wir schauen, welches Grundfinanzierungsmodell geeignet ist und welches partizipativ auch in Zukunft vergeben werden kann. Ich halte viel davon, dass man Studierende auch an Finanzfragen beteiligt. Ob es dann dieses Modell ist oder ein anderes, das wage ich heute noch nicht zu sagen. Ich kann nur sagen, dass ich die Beteiligung wichtig finde - bei allem Streit, den es dabei gibt. Die Rückmeldungen haben ja gezeigt, dass es ein gutes Instrument ist, Hochschulleitung und Studierende zusammenzuführen.

Sind diese Kompensationsmittel unabhängig vom Grundhaushalt der Uni?

Wenn es sich um Globalmittel handeln würde, stünden sie der Hochschule zur freien Verfügung. Das Geld würde dabei im Regelfall nicht mehr vom Land einem bestimmten Zweck oder Bereich zugewiesen werden. Das Globalbudget gibt der Hochschule die Freiheit zu entscheiden, wofür sie das Geld braucht. Der Charakter der Kompensationsmittel ist anders, da sie zweckgebunden sind. Ihre Höhe wird nach einem bestimmten Prinzip ermittelt. In der Vergabe werden sie mit einem Verfahren versehen, in dem Studierende zu beteiligen sind. Aber jenseits der Zweckbindung für Studium und Lehre wollen wir in der Vergabe keine weiteren Vorgaben machen.

Wo kommt das ganze Geld her?

Es ist in der Tat ein großer Batzen Geld, der uns auch ins Schwitzen bringt. Wir gehen von 150 Millionen Euro aus. Da wir im Rahmen der Koalitionsverhandlungen noch keinen Kassensturz gemacht, müssen wir das noch im Unklaren lassen. Wir haben im Bereich der frühkindlichen Bildung eine Gegenfinanzierung, da wir da die Steuern erhöhen. Auch in der Schulbildung haben wir einen Weg gefunden, diese zu finanzieren. Der Staat kann nur wenige Steuern erhöhen. Eine davon ist die Grunderwerbssteuer, die wir erhöhen werden, um ein Investitionspaket zu schnüren. Für den Hochschulbereich haben wir die Finanzierung nicht. Das heißt, sie kommt entweder aus den allgemeinen Steuermitteln oder aus der Verschuldung, was wir nicht wollen. Wir haben entschieden, dass wir in einem Zeitraum von zehn Jahren konsolidieren wollen und die allgemeine Schuldenbremse einhalten wollen. Das ist ein anstrengender und schmerzhafter Prozess, aber er ist nötig, damit wir auch in Zukunft Demokratie und Gestaltung spüren werden. Denn das, was die früheren und die jetzigen Generationen anhand von Verschuldung ausgeben, sind die verlorenen Spielräume der Zukunft.

Obwohl Sie die genaue Zahl noch nicht kennen, können sie versichern, dass es dieses Geld für die Hochschulen geben wird?

Wir haben harte Formulierungen im Koalitionsvertrag. Die binden einen und die bricht man auch nicht allein, sonst zahlt man einen hohen Preis an Glaubwürdigkeitsverlusten. Von daher haben wir uns das gut überlegt, glaube ich. Es war allen bewusst, dass das eine Zusage ist, die Anstrengung erfordert.

Wird auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, Lehre an Unternehmen zu koppeln?

Ich finde, Wissenschaft und Bildung überhaupt braucht Freiheit. Sowohl in der Findung von Themen, als auch in der Bearbeitung der Fragen. Man braucht die Freiheit, auch Antworten zu finden, die unbequem sind. Deshalb meine ich, dass Freiheit und eine Bindung an Unternehmen nicht recht zusammenpassen. Ich finde nicht, dass Hochschule ein Raum sein muss, der von gesellschaftlichen Debatten und Einflussnahmen frei ist. Ich finde, man muss sich mit Gesellschaft auseinandersetzen. Dazu gehört natürlich die Wirtschaft. Da müssen wir nicht wieder einen Elfenbeinturm bauen. Aber da, wo die Verwicklung zu eng wird und man den Eindruck gewinnen muss, dass die Auswahl, Bearbeitung, oder auch die Beantwortung der Fragen abhängig gemacht werden, was einem bestimmten Unternehmen gefällt, da hört es auf.

Sie sagten mal: „Die Traum-Universität ist unruhig, ein bisschen auffällig. Sie stört die Abläufe in ihrer Stadt und in der Gesellschaft durch Interventionen, die auffallen, die irritieren, und die Unruhe, die die kritischen Köpfe in dieser Universität prägen, die prägen auch schon die Studierenden, die da unterwegs sind.“ Freuen Sie sich nun auf die Regierungsverantwortung mit ständig intervenierenden kritischen Studentenstimmen?

Ja natürlich. Ich glaube Hochschule ist ein Ort der Freiheit. Wissenschaft und Hochschule müssen Kreativität hervorbringen. Und wie entstehen Innovationen? Durch Irritation des Bestehenden. Und das ist manchmal auch wirklich lästig, denn es bedeutet, dass etwas infrage gestellt wird. Wir brauchen für die Wirtschaft und die Bewältigung der großen Probleme vor denen wir stehen, Menschen, die auch den Mut haben, Ideen hervorzubringen, die man vorher nicht so gesehen hat.

Was meinen sie damit?

Wir brauchen Menschen mit einem kritischen Kopf. So kommen neue Dinge auf den Weg. Und das ist immer auch ein bisschen schmerzhaft. Veränderung ist schmerzhaft. Ich bin mir sicher, dass unsere Gesellschaft nicht zu viel davon hat, dass wir hier in Baden-Württemberg gut daran tun, das zu pflegen. Ich rede ja auch viel mit Unternehmen und bin verblüfft, wenn ich mit Unternehmen darüber rede, welche Art Hochschulabsolvent sie denn wollen.

 Kritische?

Ja. Ich höre da häufig, dass sie Leute mit einem eigenen Kopf wollen, Leute die Verantwortung übernehmen können und die man interkulturell auf Kunden loslassen kann, die mit Kollegen umgehen könne und die neue, flexible Ideen entwickeln können. Lauter Eigenschaften, die man unter Persönlichkeitsbildung fassen könnte. Daher denke ich, sind wir nicht in Gegnerschaft mit der Wirtschaft, wenn wir sagen, wir müssen verantwortungsvolle Menschen mit eigenem Kopf hervorbringen.

Und das passt der Hochschuldirektion?

Ich denke, die würden es unterschreiben. Im Einzelnen mag das anstrengend sein. Ich bin mir sicher, dass wenn ich denn mal im Amt sein sollte, bestimmt auch mal eine Debatte mit Studierenden anstrengend sein wird. Genauso können auch Debatten mit der Hochschulleitung durchaus anstrengend für mich sein. Das gehört aber dazu. Demokratie ist ein Prozess, in dem man die Auseinandersetzung suchen und pflegen muss.

Sie sagen, dass Studierende „auf Augenhöhe“ über den Haushalt mitbestimmen sollen. Sind damit nur die Kompensationsmittel gemeint?

Ja. Ich glaube, man muss schon Abstriche machen. Natürlich macht es einen Unterschied, ob man für drei oder fünf Jahre an der Hochschule ist und ein bestimmtes Segment dieser Hochschule in Anspruch nimmt, oder genießt und dann wieder woanders hingeht, oder ob man dauerhaft Mitglied oder Teil einer Entscheidungsstruktur einer Hochschule ist. Da kann nicht jeder die gleichen Mitspracherechte haben. Ich glaube, dass eine Hochschule, die eine starke Einrichtung sein will, auch gegenüber Akteuren und der Politik oder Unternehmen, eine strake, entscheidungsfähige und verantwortliche Leitung braucht. Als Grüne haben wir viel Erfahrung mit Basisdemokratie gemacht. Ich glaube nicht, dass die Hochschulen basisdemokratische Organisationen werden sollen, im Sinne von jeder hat eine Stimme.

Wie sollen die Studierenden dann an der Verteilung der Mittel beteiligt werden?

Im Gesetz steht, dass die Mittel im Einvernehmen mit den Studierenden verteilt werden müssen. Das ist die Konstruktion. Studierende sind zu hören. Am Ende entscheidet aber der Rektor. Wir wollen das ersetzen durch das Einvernehmen darüber. Das bedeutet, dass nicht gegen die Stimmen der Studierenden entschieden werden kann, aber auch nicht gegen die der Hochschulleitung. Wir müssen die Hochschulleitung schon in der Verantwortung halten, aber sie können sich nicht gegenseitig überstimmen. Man kann die Studierenden also nicht übergehen.

Sind diese Pläne rechtlich überhaupt möglich? Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht 1973 entschieden, dass die Professoren immer das letzte Wort haben müssen.

Wenn wir diese Regelung auf das Gesamtbudget anwenden würden, wäre das sicherlich nicht vereinbar. Ich finde bei einem solch begrenzten und zweckgebundenen Budget, sollte man das riskieren können. Aber wir werden auf jeden Fall juristisch prüfen, ob wir uns so weit vorwagen können. Ich finde wir gehen hier einen speziellen Weg. Ich halte den auch für tragbar.

Welche Rolle haben die Verfassten Studierendenschaften?

Das ist Organisation von Studierenden, wie sie in fast allen Bundesländern existiert, außer in Baden-Württemberg und Bayern. Die wurde hier im Zuge der terroristischen Bedrohungen Ende der 70er Jahren abgeschafft. Wir stellen damit schlicht den Normalzustand wieder her. Ich glaube, dass alle, die sich als Studierende engagieren, von denen wir uns mehr wünschen, wissen, wie schwer das ist, sich in einer sehr kurzen Phase des Lebens, neben Studium und Job auch noch zu engagieren. Schließlich muss man im Studium auch noch was leisten. Wir tun gut daran, eine organisatorische Grundstruktur zu schaffen, in der man auch effektiv sich einmischen, einbringen und die Welt immer wieder neu erfinden kann. Darum zu kämpfen, dass man überhaupt etwas sagen darf, erschwert das ungemein. Verfasste Studierendenschaften sind schlicht die Voraussetzungen, dass man seine Stimme auch wirklich zu Geltung bringen kann.

Was für Rechte haben die Verfassten Studierendenschaften?

Sie sollen Satzungs- und Finanzautonomie erhalten, das bedeutet, dass sie selbst darüber entscheiden, welchen Beitrag sie von Studierenden erhalten wollen, der dann im Zusammenhang mit der Einschreibung abgeschafft wird. Sie entscheiden also selbst, wie viel vertretbar ist und wie viel sie für ihre Arbeit brauchen. Und darüber müssen sie auch in die Auseinandersetzung mit Studierenden treten. Das werden wir nicht vorgeben. Wir werden nur einen relativ allgemeinen Rahmen vorgeben, der eine demokratische Struktur und eine gewisse Transparenz sicher stellt, der auch sicher stellt, dass über Finanzen Rechenschaft abzulegen ist. Der Freiraum geht nicht so weit, dass man mit dem Geld machen kann, was man will. Darüber hinaus wollen wir die größtmöglichen Freiheiten lassen, damit wir auch die unterschiedlichen Traditionen an den verschiedenen Hochschularten- und orten respektieren können.

Das heißt, man zahlt jährlich an die Verfassten Studierendenschaften?

Wenn die Vertreter der Verfassten Studierendenschaften festlegen, sie wollen 100 Euro pro Semester für ihre Arbeit haben, dann könnte es sein, dass es einen Sturm der Entrüstung gibt unter den Studierenden.

Wo genau hat die Verfasste Studierendenschaft Stimmrecht?

Das ist nochmal eine eigene Baustelle. Dazu muss man das Landeshochschulgesetz verändern. Das wollen wir anpacken. Das Modell, wie die Hochschulstruktur aussehen soll, steht noch nicht fest. Wir wollen das zusammen mit den Beteiligten machen. Da gibt es einige, die sich eine viertelparitätische Struktur wünschen. Andere wollen den Senat in seiner Bedeutung insgesamt zurückdrängen. Aber bevor wir das ändern, brauchen wir eine intensive Debatte mit allen Hochschulmitgliedern und Gruppen. Da ist in letzter Zeit sehr wenig passiert. Es haben sich viele nicht mehr identifiziert oder zuständig gefühlt. Es gibt aber auch einen Rückzug von der alten Gruppen-Universität. Viele Professoren wollen mit Debattierzirkeln nichts zu tun haben. Manche wollten Zeit haben zu forschen oder Zeit haben gut zu lehren und nicht den Großteil ihrer Zeit mit Verwaltungsangelegenheiten zu verbringen. Wir müssen eine Debatte darüber führen, was eine hochschuladäquate Organisation ist und wie viele Studierende an welcher Stelle vertreten sind. Diese Entscheidung werden wir nicht dekretieren.

Aber den externen Hochschulbeirat wird es anstelle des Aufsichtsrats geben?

Genau. Wir wollen die Analogien aus dem Hochschulgesetz entfernen, die so tun, als wären Hochschulen quasi Unternehmen. Hochschulen sind keine Unternehmen. Hochschulen produzieren keinen Gewinn, sondern Erkenntnis oder Ideen. Das ist eine andere Aufgabe. Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsrat sind Begriffe, die falsche Assoziationen herstellen. Deswegen glauben wir auch, dass die Hochschulräte keine Aufsichtsräte im traditionellen Sinne sind. Wir finden Ideen richtig, dass sich Hochschulen einer externen Beratung und Rückmeldung unterziehen müssten. Sie dürfen nicht nur in sich selber ruhen, da sie sind aus Steuermitteln finanziert werden. Sie haben einen öffentlichen Auftrag. Deswegen ist die Idee Externe einzubeziehen richtig. Es ist nur die Frage, was diese Externen entscheiden sollen. Darüber wird noch im Detail gerungen. Ich finde eine starke Beteiligung von Externen richtig. Da würde ich aber gerne noch mal korrigieren, was in den Senat und was in den Hochschulbeirat kommt.

Wer sind denn diese Externen?

Das können Menschen aus Kultur, Wirtschaft, Kirchen, Bürgerinitiativen, aus dem Ausland oder anderen Hochschulen sein. Die Idee muss sein, zu verkörpern und zu organisieren, dass eine Hochschule letztendlich der Gesellschaft verpflichtet ist. Ich finde, dass bei Hochschulbeiräten vor allem die Beteiligung von Frauen verbessert werden muss. Die ist derzeit unterirdisch. Hier müssen wir mit mehr Verbindlichkeit dafür sorgen, dass es ein anderes Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse gibt.

 Also mit einer Frauenquote?

Ich fürchte mich nicht vor eine Quote. Quote ist aber schon immer ein Armutszeugnis. Das kann man machen, wenn in einer bestimmten Frist immer noch nicht beispielsweise 40 Prozent Frauen vorhanden sind, dann kommt die Quote. Schöner ist es freiwillig, aber wenn es freiwillig nicht geht, dann eben nicht.

Würde dann der Senat ein höheres Gewicht bekommen?

In gewisser Weise schon. Ich finde, dass die Entmachtung des Senats sehr weit gegangen ist in dem alten Hochschulgesetz, und da müsste man was korrigieren.

Hin zu mehr Beteiligung von Studierenden?

Ja, aber unter Umständen kommt auch eine stärkere Hochschulleitung bei raus. Ich würde also auch nicht alles wieder in den Senat hinein verlegen, sondern ich denke, man braucht schon eine Hochschulleitung, die Verantwortung wahrnehmen kann. Sie muss auch rechenschaftspflichtig sein. In diesem Sinne kann man den Senat auch stärken, dass es ein Gremium ist, das eine Hochschulleitung fördert. Aber ich würde schon auch darauf wert legen, dass eine Leitung eine Leitung ist.

Sie wollen ein "Studium Generale" einführen. Wie sieht das aus?

Es ist immer etwas schwierig, an so einem Ort, der eigentlich von Freiheit und Selbstbestimmung geprägt sein soll, als Landesregierung Vorgaben zu machen. Wir wollen nicht detailliert hingehen und sagen, ihr habt eure Studienordnung folgendermaßen zu gestalten. Wir bestimmte Prinzipien stärken und bestimmte Ideen stärker verankert sehen. Und das ist zum Beispiel die Aufforderung, dass die Studienanfangsphase so gestaltet werden muss, dass ein langsames Einwachsen in die Hochschule geben muss. Die Unterschiede und unterschiedlichen Voraussetzungen der Studierenden werden nicht zurückzunehmen sein. Die Universitäten müssen sich darauf einstellen, dass die Studenten mit unterschiedlichen Voraussetzungen an die Hochschulen kommen. Darauf muss man mit Zusatz- und Unterstützungsangeboten antworten. Das ist das eine und das andere ist, wir wollen, dass verantwortliche Menschen die Hochschule verlassen. Das bedeutet auch, dass sie über den Tellerrand schauen können müssen. Sie müssen Verbindungen herstellen können und sollten nicht zu Fachidioten werden. Wie müssen nicht jedem ein "Studium Generale" verpassen, aber es ist gut, das Studium so zu organisieren, dass Studierende auch ihre eigenen Schwerpunkte setzen können.

Wie sieht dieses Modell aus?

Dieses Modell gibt es an einigen Hochschulen schon, das finde ich sehr sympathisch, dass man mit einer allgemeinen Einführung beginnt. Man muss sich da nicht im Detail festlegen. Man bekommt ein gewisses Überblickswissen und Methodenwissen. Und wenn man mehr davon versteht, kann man sich spezialisieren. Das finde ich ein hervorragendes Modell. Solche Ideen wollen wir fördern. Wir werden sie nicht vorschreiben, aber wir werden es fördern und unterstützen, dass Hochschulen sich solche Gedanken machen.

Bedeutet das eine Verlängerung des Studiums?

Ich glaube das bedeutet nicht automatisch eine Verlängerung des Studiums. Das muss man sich im Einzelnen ansehen. Vielleicht kann man auch Details und spezifische Dinge weglassen. Die Frage ist, ob die breite Fundierung und allgemeine Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Arbeiten nicht mehr wert ist. Ich finde das ist nicht automatische eine Verlängerung. Aber ich finde auch, man muss nicht so streng an einem sechs-semestrigen Bachelor festhalten. Schon jetzt gibt es da keine Vorschrift. Ich denke man sollte, wo es Sinn macht, auch über sieben- oder acht-semestrige Bachelor nachdenken. Die Freiheit haben Hochschulen übrigens jetzt schon. Und haben so getan, als hätte es der Gesetzgeber ihnen vorgeschrieben.

Sie wollen Masterstudien garantieren. Heißt das, es gibt auf jeden Bachelor auch einen Masterstudiengang?

Nein, das heißt es nicht, ich glaube das würde Bologna konterkarieren. Wir wollen, dass der Bachelor ein gutes und berufsqualifizierendes Studium ist, und nicht quasi ein Abbrecher-Abschluss. Das darf nicht passieren. Wir wollen einen qualitativ hochwertigen Bachelor, der eine wirklich freie Wahl ermöglicht, ob man dann danach einen Job sucht, und Erfahrung sammelt, oder ob man weiterstudieren will. Und auf der Basis, der freien Entscheidung, weil der Bachelor gut ist, wollen wir den Studierenden ermöglichen weiterzumachen und nicht Studierende ausschließen, weil es an Kapazitäten fehlt. Deswegen reden wir von einem bedarfsgerechten Ausbau. Das ist eine weiche Formulierung. Das ist uns bewusst. Aber die muss auch wirklich weich sein. Wir wollen niemanden aus Kapazitätsgründen ausschließen, aber gleichzeitig auch nicht sagen, dass alles super passen wird, wenn sich jemand in einen Bachelor eingeschrieben hat. Das soll wirklich ein abgeschlossenes Studium sein und eine Umorientierung oder einen Master an einer anderen Hochschule in einer anderen Disziplin ermöglichen. Das sind eben die neuen Möglichkeiten von Bologna, die wir auch gerne nutzen würden.

Das klingt teuer. Wo wird denn da gekürzt, um das zu finanzieren?

Das ist in der Tat eine ganze Menge Geld und das war auch in der Koalitionsverhandlung den Leuten bewusst. Hochschulpolitik kann sich nicht daran erschöpfen, dass wir die wegfallenden Studiengebühren kompensieren. Dann haben wir noch nichts sonst verbessert. Das kann nicht sein. Wir haben in den nächsten fünf Jahren in einen massiven Wachstumsprozess zu bewältigen. Sowohl bei den Anfängerplätzen bei dem Bachelor, als auch bei den Masterstudienplätzen. Wir haben viele Qualitätsprobleme, das sind aber nicht alles Geldprobleme, man kann auch mit wenig Geld Gutes bewegen.

Sollen in Zukunft noch mehr studieren können?

Ja, das ist für mich eine Gerechtigkeitsfrage. Es kann doch nicht sein, dass die jungen Menschen, die sich gerade durchs G8 durchgearbeitet haben, zum Teil unter wirklich widrigen Bedingungen in die Hochschullandschaft entlassen werden, in der es nicht genügend Studienplätze gibt und sie sich mit einem unglaublich hohen NC konfrontiert sehen und somit um ihre Studierendenchancen gebracht werden. Wir sind diesen Menschen gegenüber verpflichtet, aber wir sind auch gesellschaftlich gut beraten, diesen Menschen eine gute Schulausbildung zu gewährleisten. Deshalb müssen wir jetzt ausweiten. Zu diesen doppelten Abi-Jahrgängen kommt ja auch noch die aussetzende Wehrpflicht hinzu.

Heißt das der Numerus Clausus abzuschaffen?

Das halte ich für illusionär. Das geht zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nicht, aber damit der Numerus Clausus nicht so hoch wird, dass man eine 1,0 braucht, um seinen Studienplatz zu bekommen, das halte ich für keine gute Entwicklung. Man ist nicht der beste Psychologe, wenn man eine 1,0 hat. Das scheint mir nicht mehr tragbar. Dem kann man nur entgegenkommen, wenn man genügend Studienplätze schafft.

Wie sehen sie Ihre Einflussmöglichkeiten auf den Studienaufbau der Unis?

Zum Teil muss die Landesregierung einfach moderieren und das Gespräch suchen. Wir wollen Bürgerregierung sein und im Dialog stehen. Regierung kann nicht immer nur sein, dass man Ansagen von oben nach unten macht. Bologna ist auch ungenügender Überzeugungsarbeit gescheitert. Die Hochschulen haben sich zudem diese Reform aufoktroyieren lassen. Die guten Ideen wurden schlecht kommuniziert. Wir wollen da mit einem anderen Stil herangehen und in manchen Bereichen Überzeugungsarbeit leisten und Transparenz herstellen.

Wie wollen sie die Wirtschaft dazu bringen, den Bachelor als vollwertigen Studienabschluss zu werten?

Ich höre von der Wirtschaft eher Positives. Die ersten Zahlen sind gar nicht so schlecht. Nach meiner Wahrnehmung sind es zum Teil die Hochschulen selbst, die den Bachelor ein Stück weit schlecht reden. Zum Teil macht das auch die öffentliche Hand. Wir sind als Landesregierung und Arbeitsgeber auch in der Pflicht, nachzuweisen und hervorzutun, dass der Bachelor ein guter Abschluss ist und dass man mit ihm auch in der Landesverwaltung tätig sein kann. Die Akzeptanz des Bachelors wird davon abhängen, ob man damit gute Arbeitsplatzangebote erhält.

Der Bachelor soll also qualitativ verbessert werden?

Ja. Der Bachelor wird nicht dadurch besser, dass man möglichst allen einen Master ermöglicht, sondern indem der Bachelor ein gutes Studium ist.

Wir müssen nochmal wegen der Finanzierung nachhaken. Wo kürzt man, um all diese Investitionen zu finanzieren?

Wir werden nicht alles gleichzeitig machen können. Wir werden auch den Sanierungsstau der letzten drei Jahrzehnte aufarbeiten. Das haben wir in fünf Jahren irgendwie abgearbeitet. Also wir können bei den verschiedenen Baustellen nur schrittweise vorangehen. Wir werden nach fünf Jahren dastehen und sagen: „Folgende Veränderungen haben wir gepackt und bei anderen sind wir nicht so weit gekommen, wie wir wollten. Aber wir sind ein Stück weit gekommen und das ist unser Anspruch.“ Wir können nicht so tun, als würden wir die Welt aus den Angeln heben und können noch nicht mal die Einnahmesituation aus eigener Kraft in großem Stil verändern. Wir wissen aber, dass die Ausgaben im Wissenschafts- und Bildungsbereich so groß sind, dass sie aus eigener Kraft aus dem Landeshaushalt nicht zu bewältigen sind. Wir werden in einer Diskussion, auch auf Bundesebene und mit dem Bundesgesetzgeber treten müssen, um zu sagen, dass wir in der gesamten Gesellschaft mehr Akzeptanz dafür brauchen, dass mehr Steuereinnahmen für Bildung zur Verfügung gestellt werden müssen. Es ist nur in unserer föderalen Ordnung leider so, dass die Erhöhung von Steuern im Wesentlichen eine Bundesaufgabe ist. Und wir kriegen dann Anteile davon in den Ländern zugewiesen.

Frau Bauer, vielen Dank für das Gespräch.

   

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