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 Feuilleton
10.05.2011

Wo bitte geht's nach post?

Heidelberger Stückemarkt gestaltet Debatte um Integration und Multikulturalismus

Ein „Sprachgeeier“ versprach der künstlerische Leiter des Stückemarkts, Jan Linders, gleich am Anfang der Diskussion über „post-migrantisches Theater“. Denn Etikette wie „Mensch mit Migrationshintergrund“ oder „Deutsch-Türke“ gelten ja für Kinder, deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind. Sie selber sind in Deutschland zur Welt gekommen, hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Juristisch gesehen lupenreine Deutsche.

Und doch scheinen sie anders zu sein. Fremd. Irgendwie undeutsch. So anders, dass sich gerade im Theater die Zuschauer verstört fragen, warum diesen Franz Moor oder jenen Woyzek einer spielt, der schwarze Haare und dunkle Haut hat.Was hat der Regisseur hier beabsichtigt? Einen Verfremdungseffekt?

Eigentlich nicht. Aber er ist trotzdem da. Denn deutsch sein hat immer noch viel mit Abstammung zu tun. Das ist die Denke einer „Kulturnation“ und die Zugehörigkeit dazu ist nach dem Recht des Blutes organisiert, das Staatszugehörigkeit nach der Abstammung gewährt. Zwar ist Deutschland seit über zehn Jahren mit dem neuen Staatsbürgerschaftsgesetz davon abgerückt, aber die Köpfe der Menschen, und auch die Theaterbühnen denken langsamer, als jede Gesetzgebung. Normal ist im Theater immer noch helle Haut, blondes oder braunes Haar, kein Akzent.

Das post-migrantische Theater stellt diese Normalität in Frage. Die lateinische Vorsilbe „post“ heißt „nach“ oder „hinter“. Gesellschaft und Theater stehen nun also nach einer politisch gewollten Einwanderung, die vor über 50 Jahren begonnen hat. Jetzt heißt es, zu verarbeiten was man vor sich hat. Kreativ sein im Umgang mit Ausgrenzung und Rassismus. Das bedeutet auch, die Grenzen zwischen „Wir“ und „Die“ nicht länger allein zwischen verschiedenen Herkünften zu ziehen. Post-migrantisches Theater inszeniert dieses neue Selbstbild, lässt dabei aber offen, welches Etikett auf die Gesellschaft von heute passt. Wo ist dieses post? Wie sieht es aus? Man wagt es nicht, der Epoche von heute einen Namen und dem Formlosen eine Form zu geben. Es lässt Raum für Bindestrich-Identitäten, die sich in keinem engen Raster von Eigen und Fremd, von Deutscher oder Ausländer verorten können.

Dieses Wirrwar um Begriffe, Gesellschaft und ihre Menschen, sehen die Macher dieses Theaters als Herausforderung. Kreativität ist gefragt, wenn das Unförmige ergriffen werden soll in einer Welt, in der Grenzen unschärfer denn je geworden sind.

von Benjamin Weineck
   

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