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 Feuilleton
29.05.2011

Wanderausstellung zu Gast im Marstallcafé

Die gefährlichen Reisen zentralamerikanischer Migranten in die USA

Bis zum 13. Mai wird im MarstallcafĂ© die Ausstellung „Unsichtbare Opfer“ gezeigt. Es sind Bilder von Menschen, die Mexiko durchqueren, um in die USA zu gelangen. Polizeikontrollen, Ăśberfälle und schwere Unfälle gehören zu ihrem Alltag. 


Bis zum 13. Mai wird im Marstallcafé die Ausstellung „Unsichtbare Opfer“ gezeigt. Es sind Bilder von Menschen, die Mexiko durchqueren, um in die USA zu gelangen. Polizeikontrollen, Überfälle und schwere Unfälle gehören zu ihrem Alltag.

Temperamentvolle Gitarrenmusik mischte sich an einem lauen Dienstagabend unter das Stimmenmeer im beleuchteten Innenhof der Zeughaus-Mensa. Sie erzählt von Befreiungskämpfen in Lateinamerika, dem Streben nach Unabhängigkeit und der Hoffnung einfacher Bauern auf ein besseres Leben. Mit Liedern aus seiner Heimat leitet der chilenische Sänger Patricio Padilla, die Vernissage zu einer Ausstellung ein, die aktueller ist, als die südamerikanischen Klänge zunächst glauben machen. „Unsichtbare Opfer“ ist eine Wanderausstellung von Amnesty International und Promovio, einem Verein zur Förderung der indianischen Menschenrechtsbewegung in Oaxaca – Mexiko.

Was bei uns, durch die Bewegungen in der arabischen Welt ausgelösten Flüchtlingswellen, eine Debatte um die Erweiterung des Schengenabkommens auslöste, ist in dem zentralamerikanischen Transitland längst ein Teil mexikanischer Realität.

Flüchtlinge – das sind diejenigen, die Kriminalität, Drogen-und Waffenhandel ins Land bringen und mexikanische Frauen vergewaltigen. Auch die USA versuchen sich mit einem weit über 3000 Kilometer langen Grenzzaun, vor den illegalen Einwanderern aus dem Süden abzuschotten.

Die Ausstellung zeigt Bilder aus dem Leben der Menschen, die der Armut ihrer Heimatländer, wie El Salvador, Honduras und Guatemala entflohen sind und sich mit der Hoffnung, in den USA Arbeit zu finden. Die meisten begeben sich auf eine Reise quer durch Mexiko, um von den USA aus dann ihre Familien unterstützen zu können. Mit ein paar Kleidungsstücken zum Wechseln und eingenähtem Geld in Gürtel und Schuhen legen sie zu Fuß und auf den Dächern von Güterzügen Hunderte von Kilometern zurück. „Es ist eine enorme Bewegung an diesen Bahnhöfen“, sagt die Menschenrechtsaktivistin und freie Journalistin Kathrin Zeiske.

Sie zeigt auf ein Foto, das im Bundesstaat Tabasco aufgenommen wurde und einen dieser voll besetzten Güterzüge zeigt, dessen Gleise mitten durch die Wälder von Chiapas führen. „Die Menschen warten zum Teil nächtelang unter freiem Himmel. Wenn der Zug dann endlich kommt, geht der gefährliche Teil der Reise erst los. Nun heißt es bis zu zehn Stunden im gießenden Regen oder unter gleißender Sonne auszuhalten, bis sie das nächste Etappenziel erreichen.“

Zeiske hat drei Jahre in dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas und in Tapachula, der Grenzstadt zu Guatemala in Flüchtlingsherbergen gearbeitet. Zu jedem Bild fallen ihr Geschichten ein. „Es ist traurig“, sagt sie. Es gebe so wenige Herbergen in Mexiko. „Da ist nie jemand hingekommen, der keine krassen Erfahrungen gemacht hat. Immer verbunden mit Kriminalität, ausgeraubt von korrupten Beamten oder Angehörigen der Drogenkartelle. Aber in der Öffentlichkeit gelten sie eher als Täter.“

Trotz aller Schwierigkeiten, die Migranten in den Weg gelegt werden, schaffen es Tausende von ihnen, in die USA einzuwandern und dort Fuß zu fassen. Mittlerweile sind sie einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Zentralamerika. Die sogenannten „Remesas“, Rückzahlungen der in den USA lebenden Mexikaner, machen nach den Erdöleinnahmen die zweitwichtigste Einnahmequelle des Landes aus. In Honduras stemmen die ausgewanderten Familienangehörigen über 30 Prozent des Staatshaushaltes – Tendenz steigend.

Laut Zeiske funktioniert Migration wie ein „Entwicklungsmotor von unten“, der auch für Deutschland relevant sei. „Ich glaube, dass man Grenzen gar nicht schließen kann“, sagt sie. „Die Nordgrenze Mexikos ist die am stärksten militarisierte der Welt. Dennoch überqueren sie jeden Tag 2000 Menschen klandestin“.

Patricio Padillo hat inzwischen viele Besucher ins Marstallcafé gelockt. Sie betrachten die Menschen auf den Bildern – lesen ihre Geschichten. „Es ist schlimm, aber es schockt mich nicht mehr“, heißt es. Oder: „Deprimierend, erdrückend, aber man stumpft ab“. Dabei ist das Thema der „illegalen Einwanderung“ aktueller denn je. Sollte den Forderungen Frankreichs, Italiens und mittlerweile auch Deutschlands auf Wiedereinführung von zumindest temporären Grenzkontrollen stattgegeben werden, so wird es in Zukunft möglich sein, Migranten zielgerichtet abzufangen und wieder nach Hause zu schicken. Wie bei ihren mexikanischen Leidensgenossen beginnt der Weg für viele von Neuem.

von Jenny Genzmer
   

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