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 Hochschule
08.11.2011

Chaos bleibt aus

Doppelter Jahrgang drängt an die Uni

Foto: Katharina Kolvenbach

Ein Drittel mehr Studienbewerber – das bedeutet überfüllte Hörsäle, unzufriedene Studenten und Chaos. Oder? Wie ist Heidelberg mit dem Bewerberandrang nach Aussetzung der Wehrpflicht und Doppeljahrgängen in Bayern und Niedersachsen umgegangen?

„Es ist kein Chaos ausgebrochen“, urteilt Alexander Bonath von der Zulassungsstelle der Universität. „Die Zahl der Bewerbungen war schwer einzuschätzen, weil die Doppeljahrgänge nicht in Baden-Württemberg waren“, fügt Susanne Klöpping, Leiterin des Dezernats für Studium und Lehre, hinzu. „Es sieht aber nicht so aus, als ob es unglaublich schlimm geworden ist.“ Zulassungsbeschränkte Fächer seien schließlich durch festgelegte Platzzahlen geschützt. Sonst gebe es zwar überall mehr Erstimmatrikulierte, „aber kein bestimmtes Fach ist besonders betroffen“, fügt sie hinzu. 6200 Neueinschreibungen gab es laut Rhein-Neckar-Zeitung, 700 mehr als im Wintersemester zuvor.

Die Studenten reagieren mit Gelassenheit. „Die Situation ist in Ordnung. Sie entspricht meinen Erwartungen“, berichtet Mariya, die im ersten Semester Anglistik studiert. „Die Vorlesungen sind sehr voll, aber mit zunehmender

Wochenzahl leeren sich diese auch.“ Von Chaos hat auch Ethnologiestudentin Sabrina nichts bemerkt. „Man hört das nur von anderen.“ Doch nicht für alle begann das Studium so entspannt. „Du bist ziemlich auf dich allein gestellt“, sagt Physik-Ersti Thomas. Im größten Hörsaal im Neuenheimer Feld muss er bei den Vorlesungen Lineare Algebra und Analysis stets um einen Sitzplatz bangen. „Wenn man nicht früh genug kommt, muss man auf der Treppe sitzen.“ Jedoch sei Besserung in Sicht, wurde er beruhigt. Bis Weihnachten sollen sich die Probleme lösen. Schließlich zögen viele das Studium nicht durch.

Dass es ein Raumproblem gibt, bestätigt Birgit Spinath, Studiendekanin des Psychologischen Instituts. Um der größeren Zahl an Erstimmatrikulierten gerecht zu werden, habe die Universität neue Lehraufträge vergeben: „Aber wir haben trotzdem nicht genug Platz.“ Wie unberechenbar die Situation in diesem Wintersemester war, zeigt ein Blick auf einige Institute.

Vor einer logistischen Herausforderung sah sich das Institut der Anglistik. Zwei Drittel der Bewerber haben ihre Zusage wahrgenommen. Zum letzten Wintersemester war es nur die Hälfte. „Wir haben nicht mit so vielen gerechnet“, gesteht Erstsemesterberaterin Kathrin Pfister. „Auch nach den Zahlen, die wir von der Verwaltung bekommen haben, hätten es weniger sein sollen.“ Dreimal solange wie gewöhnlich habe es am Ersti-Tag gedauert, alle in den Räumen unterzubringen. Die 20 freien Plätze des Ersti-Wochenendes waren in der Vergangenheit nur mit Mühe zu besetzen. Nun gab es 100 Interessenten.

Das Gegenteil war am Psychologischen Institut zu beobachten. Nur etwa zwei Drittel der 90 verfügbaren Plätze konnten im Hauptverfahren vergeben werden – bei einer Rekordbewerberzahl von 4379. „Wir haben die Überbuchung wie im letzten Jahr durchgeführt. Wir waren erstaunt über die schlechte Annahme“, erklärt Bonath.

Bei einer Überbuchung werden mehr Zusagen verschickt als Plätze zu vergeben sind. Dies dient dazu, Mehrfachbewerbungen auszugleichen und Nachrückverfahren möglichst zu vermeiden.

Auch für Spinath kam die Situation unerwartet. „Es gab in den letzten Jahren immer mehrere Verfahren, aber so dramatisch wie dieses Mal war es sonst nicht.“

Fünf Nachrückverfahren hat das Institut bis Mitte Oktober durchgeführt. Daher will Spinath eine Umfrage starten. Alle Erstsemester des Instituts wurden dazu aufgerufen, die Termine, an denen die anderen Unis die Bescheide verschickt haben, einzureichen. „Es könnte sein, dass die Universität Heidelberg sehr spät dran war“, vermutet sie. Sicher sein könne man aber nicht. Falls sich der Verdacht bestätigt, soll gemeinsam mit der Zentralen Universitätsverwaltung eine Entscheidung getroffen werden. Eine Möglichkeit wäre, Personal zur Auswahl zuzusteuern. Schließlich sei es nur im Interesse der Universität und der Studenten.

Trotzdem ruft sie die Studenten zur Gelassenheit auf. „Habt die Geduld“, rät sie jedem. „Wenn das Psychologische Institut in Heidelberg die meisten Bewerbungen auf die kleinste Anzahl Plätze hat, dauert das Verfahren auch länger als an anderen Unis.“

Aber stimmt das wirklich? Ein Vergleich: Die TU Dresden gibt auf ihrer Homepage eine Bewerberanzahl von 4423 auf 120 Psychologie-Plätze an. Trotzdem war das Hauptverfahren schon Anfang August abgeschlossen. Statt mehrerer Nachrückverfahren folgte Anfang September nur noch ein Losverfahren.

Nicht nur die Psychologiebewerber mussten lange auf ihre Zusage warten. „Die Uni hat die Zulassungsbescheide so spät verschickt. Das fand ich schon dreist“, findet Ethnologiestudentin Sabrina.

Dieses Problem gehört aber vielleicht bald der Vergangenheit an. „Nächstes Jahr werden die Studienplätze eventuell zentral vergeben“, kündigt Klöpping an. Eigentlich sollte es bereits zu diesem Wintersemester ein deutschlandweit zentrales Verfahren geben. Ein Softwareproblem hat den Start des sogenannten dialogorientierten Serviceverfahrens allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das Verfahren soll die örtlichen Zulassungsverfahren der Universitäten koordinieren und Mehrfachzulassungen verhindern. Über eine Online-Plattform können Interessierte ihre Studienwünsche angeben und eine Rangfolge festlegen. In mehreren Phasen werden dann alle verfügbaren Plätze vergeben.

Bei der Uni Heidelberg laufen bereits jetzt schon die Vorbereitungen für das kommende Wintersemester. 400 Studienplätze wurden neu geschaffen. Schließlich steht 2012 der Doppeljahrgang im eigenen Land an.

von Margarete Over
   

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