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Wissenschaft
17.07.2012
âEine absolute Sensationâ Professor Schulz-Coulon erlĂ€utert den Fund des Higgs-Teilchens Mit groĂer Faszination verfolgte die Ăffentlichkeit bislang die Suche nach dem Higgs-Boson. Wissenschaftler vom europĂ€ischen Kernforschungszentrums CERN gaben nun bekannt, das zum Gottespartikel stilisierte Teilchen vermutlich gefunden zu haben. Das GesprĂ€ch fĂŒhrte Paul Eckartz Herr Schulz-Coulon, als Teil der Heidelberger ATLAS-Arbeitsgruppe waren Sie an Planung, Umsetzung und nun am Betrieb des ATLAS-Teilchendetektors am CERN wesentlich beteiligt. Wonach wird in diesem gigantischen Experiment geforscht? Es wird nach vielen Dingen geforscht. Am Large Hadron Collider (LHC), wo Atlas als eines von vier Experimenten steht, werden bei hohen Energien Protonen auf Protonen geschossen und diese Energien in Materie umgewandelt. Dabei wird versucht, neue Teilchen und PhĂ€nomene zu erforschen. Und eine der wesentlichen Fragen ist eben die nach dem Higgs-Teilchen. Was genau ist dieses berĂŒchtigte Higgs? Das Higgs-Teilchen, oder das Higgs-Hintergrundfeld, gibt nach dem Standardmodell der Teilchenphysik den Elementarteilchen Masse. Das kann man sich so vorstellen: das Higgs selbst ist eine Anregung eines omniprĂ€senten Hintergrundfelds und die Elementarteilchen bewegen sich durch dieses Feld Ă€hnlich wie ein Löffel durch Honig. Und durch die Wechselwirkung mit diesem Hintergrundfeld werden die Teilchen trĂ€ge, so wie ein Löffel auch schwerer durch Honig zu bewegen ist als durch ein Vakuum. Das Higgs-Feld kann Anregungen haben, die dann speziell zerfallen. Und diese Anregungen nennen wir Higgs-Teilchen. Wir haben jetzt Zerfallssignaturen gefunden, die darauf hinweisen, dass wir ein neues Teilchen gefunden haben. Das Higgs zerfĂ€llt zum Beispiel in zwei Photonen. Diese Photonen sieht man als EnergieeintrĂ€ge in unserem Detektor. Und in einem Bereich, der einer Masse von etwa 126 Gigaelektronenvolt entspricht, sieht man einen kleinen Ăberschuss an Ereignissen ĂŒber einem relativ groĂen Hintergrund. Dieser Ăberschuss ist so hoch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine rein zufĂ€llige Fluktuation handelt, etwa eins zu zehn Millionen betrĂ€gt. Beide Experimente haben eine solche Signatur gefunden und gesagt: das ist etwas Neues. Das sagt natĂŒrlich noch nichts ĂŒber die Eigenschaften des Teilchens, das da zerfĂ€llt, aus. Vom Higgs-Boson erwarten wir zum Beispiel, dass es keinen Spin hat. Um herauszufinden, ob es sich um das Higgs handelt, wie wir es erwarten, braucht man noch mehr Statistik. Man weiĂ nie so genau, was die Forschung bringt. Auch wenn das Higgs jetzt gefunden wurde, gibt es in der Physik eine Reihe offener Fragen, die wir im Rahmen des Standardmodells nicht erklĂ€ren können. Da ist die Frage nach der Dunklen Materie. Was ist das eigentlich? Es gibt Theorien, die vorhersagen, dass diese Dunkle Materie aus neuen, supersymmetrischen Teilchen besteht. Die sind noch nicht gefunden worden. Der LHC soll noch einmal repariert werden, um die geplante Energie von 14 Terraelektronenvolt (TeV) zu erreichen. Mit diesem Mehr an Energie und Mehr an Statistik hofft man, neue PhĂ€nomene jenseits des Standardmodells zu finden. Wer weiĂ, was die Physik bringt? Die Gruppe, die ich hier in Heidelberg leite, hat schon mit meinem Kollegen Herrn Meier ĂŒber 15 Jahre den Trigger entwickelt. Dazu muss man vielleicht ein bisschen ausholen. Am LHC werden Protonen auf Protonen geschossen und zwar fĂŒnfzig Millionen Mal pro Sekunde. Dabei gibt es jedes Mal ein bis fĂŒnfundzwanzig Kollisionen. Die sind natĂŒrlich nicht alle interessant. Das Higgs-Teilchen findet man in einer aus einer Milliarde Kollisionen. Nun kann man nicht alle Kollisionen abspeichern: Jede einzelne hat eine GröĂe von 1,5 Megabyte. Deshalb muss man diese Daten vorselektieren. Diese Vorselektion, die wĂ€hrend des Betriebs direkt geschieht, ist das, was der Trigger macht. Er schaut zum Beispiel, ob es zwei EnergieeintrĂ€ge im Detektor gibt, die nach zwei dieser Photonen aussehen, in die das Higgs zerfĂ€llt. Und speziell diesen Teil des Triggers, den sogenannten Pre-Prozessor, der 128 Mal am CERN steht, hat Heidelberg in Zusammenarbeit mit EnglĂ€ndern, Schweden, Amerikanern und anderen deutschen Instituten gebaut. Trotzdem ist diese Kollaboration relativ klein. Nein. Die Atlas-Gruppe besteht aus etwa 20 Leuten hier in Heidelberg und jeder hat seine kleine Aufgabe. Also auch im Rahmen einer Diplomarbeit kann jemand zum Beispiel die richtige Zeit-Synchronisation des Triggers einstellen. Eine Detailfrage, ĂŒber die man aber sehr detailliert und interessant reden kann. Und die Daten werden durchaus auch gesehen. NatĂŒrlich nicht von allen dreieinhalbtausend Physikern, aber von den fĂŒnfzig, sechzig, die am Trigger mitarbeiten. Auch ein Diplomand kann also sehr wohl seinen eigenen Beitrag leisten. Und fĂŒr mich ist das genauso. Die Gruppe als solche leistet zu diesem Experiment wesentliche, kleine BeitrĂ€ge, die aber individuell sichtbar sind. Ich denke es ist eine absolute Sensation, wenn 1964 ein Modell aufgestellt wird und sich dann zehntausende von Wissenschaftlern zusammensetzen und ein GerĂ€t von der Dimension des LHC bauen, weil wir sonst die Welt der Teilchenphysik nicht verstehen. Wenn es das Higgs nicht gegeben hĂ€tte, hĂ€tten wir ein ganz klares Defizit im VerstĂ€ndnis unserer Welt. Ich glaube allein die Tatsache, dass die Menschheit einer solchen Sache fĂ€hig ist â sie zu erdenken, sie zu bauen und das Higgs dann tatsĂ€chlich zu finden â ist bemerkenswert. Herr Schulz-Coulon, vielen Dank fĂŒr das GesprĂ€ch.
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