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 ProContra
17.07.2012

Geht der Nationalstolz im Sport zu weit? Nein.

Fähnchen oder Faschismus - Pro/Contra

Martin Gerster / Foto: privat

Sportliche Großveranstaltungen wie die Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele lösen alle paar Jahre eine Welle der Euphorie nicht nur bei Sportfans aus. Ganz Deutschland fühlt sich verbunden mit der Mannschaft und stellt das auch bereitwillig mit Fähnchen und Gesängen zur Schau.

NEIN

Martin Gerster - Sportpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagfraktion 

Man mag den neuen Party-Patriotismus finden wie man will – hinter jedem schwarz-rot-goldenen Blumenkettchen die Fratze des Faschismus zu vermuten, ist meiner Ansicht nach überzogen. Schlimmer noch: Es mag sogar dazu beitragen, faschistische Ideologien und ihre gesellschaftliches Gefahrenpotential zu verharmlosen.
Sicherlich: Wo immer Mannschaftsport als Gemeinschaftserlebnis zelebriert wird, wo immer Menschen „ihre“ Teams anfeuern, findet – soziologisch gesehen – eine Abgrenzung zwischen Kollektiven statt, die leider auch in die Abwertung des „Anderen“ umschlagen kann. Solche Beispiele haben wir leider auch bei dieser EM erleben müssen: So kam es zu Ausschreitungen nach dem Spiel gegen Italien. Das ist natürlich nicht zu tolerieren und solche Vorfälle müssen auch öffentlich thematisiert bzw. konsequent geahndet werden. Dennoch halte ich es für falsch, daraus einen Kollektivvorwurf gegenüber den vielen Tausenden von Fans zu konstruieren, die sich für das Spiel der deutschen Mannschaft begeistert und friedlich gefeiert haben.
Wie schon bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 habe ich den Eindruck, dass es der überwiegenden Mehrheit nicht um die Abwertung von anderen Spielern oder Nationen ging, sondern um die sportlichen Leistungen eines jungen, talentierten Teams, das in seiner Vielfalt ein gutes Abbild unserer Gesellschaft ist und das mit seinen emotionalen Auftritten ein ganzes Land zeitweilig in seinen Bann geschlagen hatte. Es ging erkennbar nie darum, Deutschland über alle anderen zu stellen, sondern um ein positives Wir-Gefühl. Daran habe ich nichts auszusetzen – im Gegenteil. 
Dass so etwas dann auch Trittbrettfahrer animiert und anzieht, ist klar. Ich denke da zum Beispiel an den neurechten Publizisten Dieter Stein, der in seiner Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) darüber sinniert, wie sich über den Umweg des Fußballs eine „positive Nationalerzählung“ in den Köpfen der Deutschen verankern ließe. Aber gerade weil rechtsradikale und nationalistische Stimmen versuchen, das angebliche „nationale Coming-out“ des Fußballpatriotismus für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, werbe ich dafür, die integrativen Potentiale des Sports zu nutzen, um für eine offene, vorurteilsfreie Gesellschaft zu werben.
Nicht alle propagandistischen Querpässe von Rechtsaußen sind so subtil wie im Falle der JF. Bei der WM 2006 gab die NPD einen WM-Planer heraus, in dem unter dem Slogan „Weiß - Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONALMannschaft“ gegen den dunkelhäutigen Nationalspieler Patrick Owomoyela gehetzt wurde. Glücklicherweise waren die bisherigen Versuche von Rechtsextremisten, die Nationalmannschaft für ihre Ideologie zu missbrauchen, durch die Bank erfolglos.
Es ist in diesem Zusammenhang gut, dass der Deutsche Fußball Bund, die Deutsche Fußball Liga und die Vereine in den letzten Jahren deutliche Schritte unternommen haben, um rassistisches, antisemitisches und nationalistisches Gedankengut von Plätzen und den Rängen zu verbannen. Vereine und Verbände können im Kampf gegen rechtsextreme Umtriebe auf ein breites Angebot von Schulungen und Informationsmaterialien zurückgreifen. Diese Entwicklungen politisch zu fördern erscheint mir Erfolg versprechender als der Versuch, auf den Fanmeilen der Republik weniger „Nationalstolz“ zu verordnen.

 

 


Zum selben Thema haben wir Heidelberger Studenten befragt. Ihre Antworten findet ihr hier.

   

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