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 Heidelberg
18.07.2012

Amerikaner verlassen die Stadt

Konzept für die Nutzung der US-Flächen ist noch nicht vorhanden

Das MTV hat eine Fläche von 43 ha und bietet Platz für gut 700 Wohnungen. / Foto: wikimedia commons/Sheliak

Spätestens 2015 ziehen die letzten amerikanischen Streitkräfte aus Heidelberg ab. Knapp 190 Hektar Land lassen sie zurück – eine Fläche doppelt so groß wie die Altstadt. Die Stadt will einen Großteil der Liegenschaften erwerben. Deren Entwicklung könnte bis zu fünfzehn Jahre dauern.

„Hier müsste man aber mal lüften“, merkt ein älterer Mann naserümpfend an. Beim Eintritt in das leere Wohnzimmer muss eine Frau kräftig niesen. Ein muffiger Geruch erfüllt den Raum, den man auch beim Begehen der weiteren Zimmer nicht los wird. Die über einhundert Quadratmeter große Wohnung steht seit Anfang Juni komplett leer. Ungefähr siebenhundert weitere werden ihr in den nächsten Wochen und Monaten im Mark Twain Village folgen.

MTV, wie es einfach nur genannt wird, liegt im Herzen der Heidelberger Südstadt. Neben zahlreichen Wohnungen befinden sich unter anderem eine Bibliothek, eine Kirche und eine High School auf dem Gelände. Es ist die erste Station auf der Fahrt durch Teile der US-Liegenschaften. 60 Bürger wurden per Losverfahren ausgewählt, um an dieser teilzunehmen. Später wird auch noch das Patrick Henry Village, weiter außerhalb Heidelbergs, angefahren. Alle ihrer fünf Standorte werden die amerikanischen Streitkräfte bis 2015 räumen. Dann beziehen sie ihr neues Hauptquartier in Wiesbaden.

Die Entscheidung der Amerikaner abzuziehen kam für die Stadt im Sommer 2010 „halbwegs überraschend“, wie der Erste Bürgermeister, Bernd Stadel, zugibt. Oberbürgermeister Eckart Würzner war extra noch nach Washington gereist, um den kompletten Abzug zu verhindern. Genützt hat es nichts. Jetzt steht die Stadt vor der Aufgabe die Standorte zu entwickeln. „Wir sind aber nicht zu spät dran, da erst jetzt die Flächen frei werden und wir sie nun näher analysieren können“, betont Stadel und verweist auf die im Herbst beginnenden Vorbereitenden Untersuchungen. Sie markieren den Beginn der zweiten Planungsphase, in der eine genaue Bestandsaufnahme der Flächen vorgenommen werden soll. Erst danach kann man einen wirklichen Planungsprozess beginnen, „sonst plant man ins Blaue“, so Stadel.

In der zweiten Phase soll es auch regelmäßig Besichtigungen der Flächen und „Ideenwerkstätten“ für Bürger geben. Ohnehin will die Stadt bei der Diskussion um die Weiternutzung der Flächen ganz auf diesen setzen: „Die Bürgerbeteiligung wird auf ein neues Niveau gehoben.“ Größere Transparenz und noch frühere Information sollen maßgebend sein.

Ob jedoch die Flächen nach dem Abzug überhaupt in den Besitz der Stadt gelangen, ist noch gar nicht gesichert. Zunächst gehen sie in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland über. Für die Verwaltung und den Verkauf ist dann die Bundesanstalt für Immobilienfragen (BImA) zuständig. „Wir müssen die Flächen an den verkaufen, der am meisten bezahlt; das muss nicht zwangsläufig die Stadt sein“, erklärt Christopher Auer von der BImA. Doch die Stadt besitzt das Planungsrecht – „das ist der Knackpunkt“. Mit diesem Recht kann sie die Entscheidung über die Nutzung „in die richtige Richtung lenken.“ Sie kann also entscheiden, wo beispielsweise Wohn- und Gewerberäume entstehen sollen, muss diese aber nicht zwangsläufig erwerben.

„Die größte Gefahr ist, dass Investoren blind von der BimA kaufen könnten“, gibt Barbara Greven-Aschoff zu bedenken. Dann könne die gleiche Entwicklung wie bei der Bahnstadt drohen. Dort sind die Preise für Wohnungen in den letzten Jahren rasant angestiegen, weil viele Investoren derzeit ihr Geld in Immobilien anlegen. Frau Greven-Aschoff sitzt für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Heidelberger Gemeinderat, der am Ende über die Umsetzung des Planungsrechtes entscheiden muss. „Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum in Heidelberg“, gibt sie als oberste Priorität aus. Über die anschließende Nutzung kann auch sie derzeit nur mutmaßen. Für die Wohnflächen könne sie sich neben dem familienfreundlichen, bezahlbaren Wohnen, auch innovative Formen des Zusammenlebens vorstellen, natürlich dürfe auch die Kultur und die Kreativwirtschaft nicht zu kurz kommen.

Auch die von der Stadt angestoßene Bürgerbeteiligung sieht sie weniger euphorisch. „Bisher haben sich wenig einfache Bürger in die Diskussionen eingebracht.“ Vor allem Vereine nahmen bislang am Planungsprozess teil. Sie hofft aber, dass sich in der zweiten Phase, wenn es um die konkrete Nutzung der Standorte geht, gerade die um wohnenden Bürger stärker beteiligen.

So unklar die weiteren Planungen, so unklar ist auch der Zeitraum bis die Liegenschaften verwertet werden könnten. Vereinzelt könne es schnell gehen, insgesamt rechnet Frau Greven-Aschoff aber mit zehn bis fünfzehn Jahren, bis die Flächen vollständig entwickelt werden. Zeit also um das ein oder andere Fenster zu öffnen.

von Michael Graupner
   

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