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 Klecks und Klang
11.06.2012

Patrick Roth: Sunrise

Die Heilsgeschichte in lyrisch-cineastischer Dichte

Foto: privat

Eitlem Schnörkel und Manierismus frönend – so wird jemand denken, der sich auf einen solchen unkonventionellen Sprachstil und einen biblischen Stoff gar nicht einlassen kann. Je länger man sich jedoch mit „Sunrise“ befasst, umso mehr gewinnt man einen anderen Eindruck. 

Schon der Titel „Sunrise. Das Buch Joseph“ lässt stutzen: Benannt wird hiermit, dass die christliche Heilsgeschichte der Menschheit umgedeutet werden soll: Nicht Jesus, sondern sein Vater Joseph ist die zentrale Figur, wenn es heiĂźt: „Ich kenne einen Menschen, dessentwegen Himmel und Erde geworden sind. Der hieĂź Joseph.“ Wieso aber ein englischer, moderner Titel fĂĽr ein so althergebrachtes Thema? Ein Blick in das Buch erklärt warum: Ein weiterer misslungener Versuch biblische Tradition in die heutige Zeit zu ĂĽbertragen. 

Bezeichnend ist folgendes Zitat: „Langsam schritt der Fuchs seitlich des Feldes davon, verharrte nochmals und wandte den Kopf und sah zurĂĽck auf den Knienden her.“ Der sprachliche Fluss kann es in seiner Statik allenfalls mit Granit aufnehmen; Sunrise liest sich so authentisch und zeitgemäß wie die Latein-Ăśbersetzung eines Gymnasiasten. Die Sprache ein- und aussetzend, metrisch, pulsierend, atmend. 

Die stockende Sprache – kein Manierismus, sie lässt den Leser teilnehmen. Daran, wie Patrick Roth jeden Gedanken in Worte fasst und in Schrift setzt, daran wie er biblische Tradition in die Moderne ĂĽbersetzt, anpasst, verändert. Es geht hierbei jedoch nicht nur um das Verhältnis von Religion und Moderne. Vielmehr findet in Form dieser Sprache eine Auseinandersetzung des Erzählers mit sich selbst statt: Ob man Wort fĂĽr Wort die unmittelbaren GefĂĽhle, Träume, Erlebnisse und Gedanken eines anderen in Worte fassen kann, ohne sie zu verfremden. 

Der Erzähler benennt dies offen, indem er auch nicht davor zurückschrickt, inmitten seiner antiquierten, lyrischen Sprache auf einmal salopp zu werden: „Und das Mal, das er baute, stand erinnernd an den nezer, das ist verdolmetscht ›Sprößling‹ und ›Sproß‹.“ Sollte man nun statt Erzähler lieber Übersetzer und Verdolmetscher sagen?

Das anfängliche Stocken gibt sich während der Lektüre als metrischer Sog zu erkennen, der mitreißt. Die Trennung von Lyrik und Prosa erweist sich somit als Konstrukt. Wie im Film werden dabei Traum und Realität ununterscheidbar verschränkt. Fazit: Sunrise interpretiert das Genre Roman auf seine eigene lyrische, cineastische Weise. Wer nun mehr von und über Patrick Roth erfahren will, hat dafür im Juni und Juli durch die Poetik-Dozentur am Germanistischen Seminar die Möglichkeit: Hierbei wird er selber aus einigen seiner Werke lesen.


Patrick Roth. Sunrise. Das Buch Joseph. Wallstein. 24,95 Euro.

von Ziad-Emanuel Farag
   

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