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 StudiLeben
14.06.2012

„Zugvögel“ denken andersherum

Ehemalige Freiwillige organisieren SĂĽd-Nord-Austausch

Zu Che Britos Aufgaben auf dem Biobauernhof gehört auch die Feldarbeit. / Foto: privat

Wer nimmt, muss auch geben. Viel lernen durften deutsche Freiwillige in den Ländern des globalen Südens. Jetzt wollen sie etwas zurückgeben. Denn das Beste aus den verschiedenen Erdteilen mitnehmen sollen auch junge Menschen aus den Gastländern.

Es ist kalt, als Che Brito Ende Januar in Berlin ankommt. Sehr kalt sogar. Doch Zeit, um sich an die unwirtlichen Verhältnisse zu gewöhnen, bleibt dem Ecuadorianer nicht: Direkt nach seiner Ankunft muss er einen Sprachkurs belegen. Bisher kann er nur ein Wort auf Deutsch: „Scheiße.“

Nie hätte er sich träumen lassen, eines Tages nach Deutschland zu kommen. Zu weit weg, zu teuer wäre das Unterfangen. Außerdem wäre es für ihn bereits überaus schwierig, ein Visum zu bekommen – trotz Freunden in Deutschland und abgeschlossenem Hochschulstudium. Mit Hilfe der Unterstützung des Vereins „Zugvögel – interkultureller Süd-Nord-Austausch“ absolviert Che nun den Bundesfreiwilligendienst in Deutschland.

Angefangen hat alles vor über einem Jahr in Ecuador. „Wir hatten den Eindruck, dass der Austausch relativ einseitig verläuft“, berichtet Benedikt Wimbauer, damals Freiwilliger im „Weltwärts-Programm“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Heute studiert er an der Universität Heidelberg Geografie. „Wir haben sehr viel gelernt und mitgenommen, die Leute vor Ort haben jedoch nicht in dem gleichen Maße profitiert.“ Deshalb kam die Idee, ein Umkehrprogramm aufzubauen. Gleichzeitig organisierten sich Freiwillige in anderen Ländern mit dem gleichen Gedanken.

Im Januar fusionierten die einzelnen Gruppen dann in Deutschland zum Verein „Zugvögel“, der mittlerweile mehr als 80 Mitglieder zählt. Auf dem Weg dahin mussten allerdings einige Hürden genommen werden. Rassistische Äußerungen dings seitens der deutschen Botschaft in Ecuador, Bürokratie rund um die notwendigen Visa und nicht zuletzt juristische Hürden mussten überwunden werden. Auch deshalb war die Zustimmung unter den weltwärts- Freiwilligen zunächst verhalten. Benedikt gibt selbst zu, anfangs nicht an die Umsetzung geglaubt zu haben. „Es wurde wirklich unglaubliche Arbeit geleistet, den Verein zu gründen“, betont er immer wieder.

Derweil arbeitet Che seit fast einem halben Jahr auf einem Bauernhof der Bio-Kette Demeter bei Hamburg, wo er die Grundlagen der ökologischen Landwirtschaft erlernt. Dort beackert er mit etwa 20 weiteren Freiwilligen, die zum Teil wie er von weit her kommen – aus Brasilien, aus Pakistan – die Felder, arbeitet im Gewächshaus, mit den Tieren oder in der hofeigenen Bäckerei. Täglich von sechs bis sechs Uhr. Che bekommt meist noch eine Stunde frei, für seinen Deutschkurs. An den harten Arbeitsalltag habe er sich schon einigermaßen gewöhnt und auch die Kommunikation falle ihm bereits wesentlich leichter. Zwar vermisse er seine Familie in Ecuador, doch den Kulturschock habe er überwunden. Das liegt mitunter auch daran, dass die „Zugvögel“ bei Problemen immer zur Stelle seien.

Zwar stecke das Programm natürlich noch in den Kinderschuhen und müsse sich noch entwickeln, meint Che. Doch er bewundert auch den Enthusiasmus, mit dem sich die Mitglieder des Vereins für andere engagieren. Die Hälfte der etwa 8000 Euro, die ein solches Freiwilligenjahr kostet, muss der Verein über Privatspenden aufbringen. Fundraising ist damit eine der wichtigsten Aufgaben; hinzu kommen Öffentlichkeitsarbeit und die Suche nach geeigneten Gastfamilien.

Dafür hat sich der Verein deutschlandweit in acht Regionalgruppen unterteilt, die zusätzlich spezifische Aufgaben übernehmen. Die Gruppe Mannheim/Heidelberg organisiert etwa die nächste Mitgliederversammlung. Außerdem gestaltet sie in Zusammenarbeit mit einigen anderen Organisationen, die einen ähnlichen Austausch organisieren, das Zwischenseminar für die jetzigen Freiwilligen. Acht weitere Freiwillige aus Ecuador, Ruanda, Nepal und Uganda sollen im Laufe des Jahres 2013 nach Deutschland kommen.

Eine Partnerorganisation im Heimatland führt das Auswahlverfahren alleine durch, Kriterien legt der Verein keine fest. „Nicht wir sollen entscheiden, wer nach Deutschland kommt“, erklärt Benedikt. So soll eine Auswahl nach westlichen Denkstrukturen ausgeschlossen werden. Für den Rest seines Aufenthalts in Deutschland hat sich Che vor allem vorgenommen, sein Deutsch noch weiter zu verbessern.

Nach seiner Rückkehr nach Ecuador könne er sich vorstellen, sich dort weiter der ökologischen Landwirtschaft zu widmen. Trotz Höhen und Tiefen, meint er, habe sich sein Aufenthalt auf jeden Fall gelohnt.

Was er von den Deutschen halte? Entsprechend der gängigen Meinung seien Sie zunächst tatsächlich eher kühl und zurückhaltend. Doch könne man sich auch sehr gut mit ihnen anfreunden. „Son buena gente“, sagt Che. Sie sind freundliche Menschen.


Weitere Infos gibt es unter www.zugvoegel.org

von Paul Eckartz und Margarete Over
   

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