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13.11.2012

Simon von der Polizei

Das Ganze klang am Anfang eher nach einem schlechten Krimi: „Verdeckter Ermittler in der linken Studentenszene Heidelberg aufgedeckt!“ Die erste Meldung kam kurz nach unserer Dezember-Ausgabe 2010 von der Kritischen Initiative (KI).

Der Mann, der sich Simon Brenner genannt hatte, hatte sich im Sommer 2010 bei KI und dem Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband (SDS) eingeschlichen, um von dort nach eigenen Angaben an die Antifa Heidelberg heranzukommen. Dabei hatte er bereits Informationen über Mitgliedern der KI und des SDS, über deren Freunde und Mitbewohner weitergegeben. Nach der Enttarnung verschwand er.

Die Redaktion war sich einig, falls es stimmen sollte, wäre die Geschichte der Aufmacher der nächsten Ausgabe und würde uns noch länger beschäftigen. Wir setzten vier Leute für die Recherchen an, für die vier Wochen Zeit waren. Dass der ruprecht nur einmal im Monat erscheint, war hier sowohl Vorteil, als auch Nachteil.

Andere Medien waren schneller als wir. Das Thema war brisant, da schalteten sich selbst überregionale Zeitungen ein. Aber wir hatten genug Zeit uns intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, ausführlich zu recherchieren und in der Redaktion über die Zwischenergebnisse zu diskutieren.

Wir fragten bei Polizei und Landesamt in Stuttgart an, die sich nicht dazu äußern wollten. Die Uni, an der der vermeintliche Simon Brenner in Ethnologie und Germanistik eingeschrieben war, wusste nichts und wollte nichts sagen. Wir interviewten zwei Studenten, die geglaubt hatten, mit Simon befreundet gewesen zu sein, aber nur von ihm ausspioniert wurden. Und wir mussten uns mit trockenen Gesetzestexten auseinandersetzen, die klären sollten, wie viel Überwachung ein Staat leisten darf.

Insgesamt war es wohl der spannendste Artikel, den ich je für den ruprecht geschrieben habe. Auch der mit den meisten Reaktionen. Beim Verteilen wurden Jenny Genzmer und Max Mayer, die ebenfalls an dem Artikel beteiligt waren, vom Deutschlandfunk interviewt.

Auch ich wurde von einem Redakteur von Spiegel TV angesprochen, ob ich etwas über Simon Brenner wüsste. Letztlich telefonierte ich zweimal lange mit ihm und erklärte, was wir bei den Recherchen erfahren hatten, gab ihm die Details, die ihm fehlten. Zum Dank schaffte es der ruprecht in die erste Szene des Spiegel TV-Beitrags.

Einen Tag nach Erscheinen der Ausgabe dann Gewissheit: Der damalige Innenminister Baden-Württembergs, Heribert Rech, räumte ein, das Innenministerium habe die linke Szene durch einen verdeckten Ermittler beobachten lassen. Leider etwas zu spät für unseren Artikel. 


Julia Held war von 2008 bis 2011 beim ruprecht und studiert derzeit an der Universität Heidelberg.

von Julia Held
   

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