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16.11.2012

„Four more years!“

Der teuerste US-Wahlkampf aller Zeiten ist endlich zu Ende

Begeisterung nach Obamas Wiederwahl auf der Wahlparty der Demokraten in Asheville, NC. / Foto: Marine Raynard

Amerika hat seinen Präsidenten wiedergewählt. Bis zum Schließen der Wahlbüros kämpften tausende Kampagnenhelfer um jede einzelne Stimme. Viele Menschen waren der endlosen Zahl von Anrufen, Fernsehwerbung und Plakaten jedoch schon lange überdrüssig.

Als ich am 6. November aufstehe ist die Vorfreude groß. Endlich ist es soweit: Amerika wählt. Am Ende des Tages wird Barack Obama als Präsident im Amt bestätigt werden. Doch noch weiß niemand, wer gewinnen wird und diese Unsicherheit ist überall spürbar. In der Cafeteria, der Bibliothek und in den Kursen – überall ist die Wahl das Thema. Die Stimmung ist eindeutig: Geht wählen und wählt Obama.

Asheville, im Westen North Carolinas, ist eine liberale Stadt. In der Uni findet man nur vereinzelt Republikaner, die nicht einmal einen eigenen Club haben. Demokraten haben derer gleich zwei, die College Democrats und die Students for Obama. Viele Studenten schmücken ihre Rucksäcke, Autos oder Zimmerwände mit Obamastickern, -postern und -buttons.

Am frühen Nachmittag treffe ich mich mit Caitie Gibbs, Präsidentin der College Democrats. Sie ist auf dem Weg zum Hauptquartier der Demokraten von Buncombe County. Zum Semesterbeginn Mitte August habe sie angefangen, bei der Kampagne der Demokraten zu helfen, ein wenig sogar schon während der Sommerferien. Sie telefonierte mit Wählern oder klingelte an ihren Türen, um Unterstützung und Stimmen zu gewinnen. Allerdings helfe sie lieber den lokalen Kandidaten, so Caitie. „Das ist viel wichtiger, um direkten Wandel zu bewegen. Ich unterstütze natürlich Obama, aber ich finde es besser, mich für die Menschen zu engagieren, die mein Leben direkt beeinflussen könnten.“

Im Hauptquartier, das hauptsächlich für die lokalen Kandidaten zuständig ist, befinden sich gut zwei Dutzend Freiwillige. Die meisten haben ein Telefon in der Hand, das sie automatisch mit Personen verbindet, die zuhause den Hörer abheben. Sie erinnern die Menschen daran, wählen zu gehen. Gegebenenfalls wird ihnen auch eine Fahrt ins Wahlbüro angeboten, sollten sie kein eigenes Auto haben. Im Hauptquartier treffe ich auch Rachel Collman, Mitglied der College Democrats und Praktikantin bei einer lokalen Kandidatin, Terry Can Duyn. Rachel erzählt, dass sie enttäuscht und wütend sei darüber, dass die Menschen sich mehr für Obama interessieren und engagieren. Denn auch für sie ist „lokale Politik einfach wichtiger.“

Obwohl ich auch andere Studenten treffe, ist deren Beteiligung an der Wahl geringer, als ich es erwartet hätte. „Studenten interessiert Politik nur genug um zu wählen, nicht aber, um sich bei den Parteien zu engagieren,“ erklärt Caitie. Auf dem Campus hätte sie vielleicht zehn Studenten zur Kampagnenarbeit bewegen können. Selbst bei Bezahlung sei das Interesse kaum größer. Aber „generell interessieren sich die Menschen auch einfach mehr für die Präsidentschaftswahlen und unterstützen Obama direkt.“

"Geht wählen und wählt Obama"

So mache ich mich mit Rachel dann auch zum Hauptquartier der Obamakampagne im Zentrum der Stadt auf. Sofort wird deutlich, wie viel größer die Unterstützung für Obama ist. Es sind mindestens doppelt so viele Menschen wie im Hauptquartier der Demokraten anwesend und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Ich spreche mit Alida Woods, einer Freiwilligen, die begeistert davon ist, wie sehr Deutschland an der Wahl interessiert ist. Wirklich verstehen kann unsere Faszination an der amerikanischen Präsidentschaftswahl aber niemand.

Mittlerweile ist es nach 17 Uhr – die Wahlämter schließen um 19:30 Uhr – doch noch immer kommen Menschen vorbei, um zu helfen oder Essen zu spenden. Alida erzählt, dass viele der Menschen hier seit 6 Uhr morgens sind. Selbst an Türen wird heute noch geklopft. Man möchte wirklich jeden erreichen und so wird auch noch bis 19:30 Uhr gearbeitet werden. Denn wer bis dahin in der Schlange steht, darf auch noch wählen.

Die Obamakampagne ruft in ganz North Carolina an, nicht nur in dem entsprechenden County. „Wir versuchen zu vermeiden, dass die Menschen von uns, Romney-Leuten und den lokalen Büros einen Anruf bekommen. Es gibt viele Menschen, die schon gar nicht mehr den Hörer abnehmen. Viele sind genervt von dem endlosen Wahlkampf, vor allem, da er so negativ ist und Unmengen an Geld verschlingt. Das kann ich auch verstehen.“ Auf dem Rückweg zur Uni erklärt Rachel, dass es viel einfacher sei, für Obama Anrufe zu tätigen. „Den Namen erkennen alle. Bei den lokalen Kandidaten ist das leider oft nicht der Fall.“

Am Abend ist es dann endlich so weit. Die Demokraten treffen sich in einer Bar im Zentrum der Stadt und erwarten voller Spannung die Ergebnisse. Einige der Kandidaten sind anwesend und halten Reden, haben jedoch größtenteils eher negative Ergebnisse zu verkraften. Die Verkündung der Wahlergebnisse dauert lange und zieht sich hin. Vereinzelt wird applaudiert, wenn ein demokratischer Senator gewählt wurde oder ein Swing State Obama zugeordnet wird. Um 22:30 Uhr steht das Ergebnis immer noch nicht fest. Einige Menschen sind schon gegangen. Für viele Staaten gibt es nur ungefähre Tendenzen, da noch nicht genug Stimmen ausgezählt wurden.

Als North Carolina eine, wie sich später herausstellen würde, falsche Tendenz zu Obama vorhergesagt wird, ist die Begeisterung groß, doch die wirkliche Euphorie bricht dann gegen 23 Uhr aus. Ganz plötzlich erscheint das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen auf den Bildschirmen und endlich passiert das, was man aus dem Fernsehen kennt und erwartet, wenn man eine Wahlparty in den USA besucht. Die Menschen weinen, fallen sich in die Arme und brechen in Jubelschreie aus. Überall werden Handys gezückt, um mit Freunden zu teilen, was so viele von ihnen gehofft hatten: „Four more years.“

Relativ schnell löst sich die Party nach der Ergebnisverkündung auf. Die Menschen strömen nach Hause, um Obamas Rede sehen zu können. Dass diese erst Stunden später an der Ostküste beginnen wird, kann kaum einer ahnen. Doch das ist den meisten egal. Gerne nehmen sie dafür nur wenig Schlaf in Kauf. Die anderen Ergebnisse spielen jetzt allerdings kaum eine Rolle mehr.

Dabei gab es neben Senatswahl und lokalen Wahlen auch bedeutende Referenden. So stimmten einige Staaten über die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe ab. In Washington State und Colorado wurde für die Legalisierung von Cannabis gestimmt – ein Thema, das vor allem unter Studenten für viel Gesprächsstoff und Reisepläne sorgen wird. Doch im Moment zählen nur vier weitere Jahre für ihren Präsidenten. Obamas Rede wird erst am darauffolgenden Morgen um 2 Uhr zu Ende sein. Die Wahl, allen voran aber der schier endlose Wahlkampf, wird dann wirklich vorbei sein. Endlich.

von Jasmin Miah aus Asheville (USA)
   

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