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StudiLeben
27.01.2013
Ein Krankenschein fĂŒr Papierlose MediNetz verbindet medizinische Hilfe mit politischer Arbeit Vorbeugen ist besser als Heilen: Je weniger fortgeschritten eine Krankheit, desto leichter ist sie zu behandeln. Daher suchen in Deutschland tagtĂ€glich Millionen von Menschen medizinische Hilfe. Einige können sich einen Arztbesuch jedoch erst dann leisten, wenn ihr Leben in Gefahr ist. Die meisten kommen aus Afrika, dem Nahen Osten oder Lateinamerika. Es sind Menschen, die vor Kriegen, Diktaturen, Diskriminierung oder existentieller Not geflohen sind. In Deutschland angekommen, haben sie einen Antrag auf Asyl entweder noch nicht gestellt oder er wurde abgelehnt. Andere besaĂen bereits einen Aufenthaltsstatus, haben ihn jedoch wieder verloren. Wie viele es hierzulande sind, weiĂ man nicht. Die Zahlen bewegen sich im sechsstelligen Bereich. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz steht diesen Menschen ohne Papiere zwar eine grundlegende medizinische Versorgung zu. Doch um die Kosten vom Sozialamt erstattet zu bekommen, mĂŒssen sie in Kauf nehmen, dass das Amt die Daten an die AuslĂ€nderbehörde ĂŒbermittelt und sie womöglich abgeschoben werden. Nur in NotfĂ€llen darf das Sozialamt die Daten nicht an die AuslĂ€nderbehörde weiterleiten, denn dann ĂŒbertrĂ€gt sich die Ă€rztliche Schweigepflicht durch den âverlĂ€ngerten Geheimnisschutzâ auch auf öffentliche Stellen. âDie Folge ist, dass diese Menschen Ă€rztliche Hilfe erst dann in Anspruch nehmen, wenn das Gesundheitsproblem schon sehr ausgeprĂ€gt istâ, meint BĂ€rbl Mielich, gesundheitspolitische Sprecherin der GrĂŒnen im baden-wĂŒrttembergischen Landtag. Um dem entgegenzuwirken, sind Medizinstudierende und BerufstĂ€tige aus der Pflege seit Mitte der 1990er Jahre fĂŒr sogenannte MediNetze und MedibĂŒros aktiv. Sie vermitteln Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus an Ărzte, die bereit sind, diese anonym zu behandeln. Seit 2007 verhelfen auch in Heidelberg und Mannheim etwa 25 Aktive jĂ€hrlich 30 bis 40 Patienten zu einem Arztbesuch. âWir sind kein Charity-Vereinâ âUnser Grundsatz ist, alles anonym zu machen. Wir wollen nur das erfahren, was wir brauchen. Erstens: Welches medizinische Problem liegt vor? Zweitens: Wie sieht die rechtliche Situation aus? Eventuell vermitteln wir dann eine rechtliche Beratungâ, erklĂ€rt Caroline von MediNetz, âwir sprechen auch von âIllegalisiertenâ, um deutlich zu machen, dass sie von staatlicher Seite illegalisiert werden. Kann ein Mensch an sich denn âillegalâ sein?â DarĂŒber hinaus sammeln die bundesweit organisierten âBĂŒros fĂŒr medizinische FlĂŒchtlingshilfeâ Spenden, damit sie die Arztbesuche finanzieren können. Um Schwangeren eine Entbindung zu ermöglichen, kooperiert MediNetz mit einem Krankenhaus aus der Region. FĂŒr jede Geburt erhĂ€lt die Klinik einen Pauschalsatz. âDie Pauschale liegt zwar unter dem Normalpreis, aber mehr können wir nicht leisten. Denn je nachdem, wie viele Geburten anstehen, kann unser Budget schnell ausgeschöpft seinâ, bedauert die Medizinstudentin. âEin Charity-Verein sind wir jedoch nicht. Unsere medizinische Hilfe verbinden wir mit politischer Arbeitâ, stellt Caroline weiter klar, âzum Beispiel fordern wir einen anonymen Krankenschein.â Das Konzept des anonymen Krankenscheins ermöglicht Menschen ohne Papiere, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ohne dass ihre Daten an die AuslĂ€nderbehörde ĂŒbermittelt werden. Dazu mĂŒssten Anlaufstellen eingerichtet werden, bei denen der Krankenschein unter Ă€rztlicher Leitung vergeben wird. In der Gesundheitspolitik wird dieses Konzept bereits bundesweit diskutiert, auch in Baden-WĂŒrttemberg, wie BĂ€rbl Mielich mitteilte: âWir werden hierzu GesprĂ€che mit der LandesĂ€rztekammer, den gesetzlichen Krankenkassen, MediNetz, Refugio und anderen fĂŒhren, und wir sind guten Mutes, gemeinsam zu konkreten Lösungsmöglichkeiten zu kommen.â Das eigentliche Ziel der MediNetz-Aktiven ist letztendlich eine âmedizinische Versorgung fĂŒr alleâ. âEs ist schön, nach einer Geburt als Dank von der Mutter ein Foto mit ihrem Baby zu bekommenâ, darin sind sie sich einig, âschöner wĂ€re es aber, wenn man uns erst gar nicht brĂ€uchte.â |