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Feuilleton
17.07.2013
Ceci n'est pas un fruit Die Kunstsammlung des Unternehmers Rainer Wild zeigt, dass man aus Obst mehr machen kann als Stillleben Der nächste Warhol, wo wäre der noch gleich? Frankfurt, München, Stuttgart könnte man vermuten, vielleicht Karlsruhe. Eher nicht: Heidelberg. In der Tat findet man jedoch genau dort Warhols „Space Fruit: Lemon“ (Foto) zusammen mit Werken von Roy Lichtenstein, Georg Baselitz, Joseph Beuys, Emil Nolde, Lucian Freud… Die Aufzählung ließe sich noch eine Weile so fortsetzen. Die Kunstsammlung der Stiftung für Fruchtmalerei und Skulptur, gegründet von dem Heidelberger Unternehmer Rainer Wild, hat ihren Standort in Heidelberg und beinhaltet eine ganze Reihe Zeichnungen, Bilder und Skulpturen, die Kunstliebhaber ins Schwärmen versetzen würden. Bloß weiß das kaum jemand, denn die Sammlung ist privat, Ausstellungsräume oder gar ein Museum gibt es nicht. Ab und zu vergibt die Stiftung Leihgaben oder macht Ausstellungen, zuletzt im Mannheimer Kunstverein. Bis zum 30. Juni gab es dort die Möglichkeit, eine Auswahl von Wilds Schätzen zu bewundern. Wilds Sammelleidenschaft geht lange zurück. Schon die Familie war kunstaffin und gab diese Begeisterung an den Sohn weiter. 40 Jahre sammelt Wild bereits und zusammengekommen sind um die 300 Kunstwerke der unterschiedlichsten Stile. Gemeinsam sind ihnen nur zwei Dinge: Der zeitliche Rahmen des 20. und 21. Jahrhunderts und ihr Motiv: Die Frucht. Was kurios klingen mag, hat seine Gründe in Wilds Biographie. Der promovierte Chemiker interessierte sich schon früh für Früchte, ihre Inhaltsstoffe, Farben und auch für ihre toxische Wirkung. 1975 stieg er bei den Rudolf-Wild Werken ein und begann für diese Fruchteinkäufe auf der ganzen Welt zu tätigen: Möglichkeit genug, sich noch einmal mehr mit dem Thema „Frucht“ zu beschäftigen. Das familiäre Unternehmen produziert unter anderem auch das Fruchtgetränk „Capri Sonne“, naheliegend wäre es, hier die Verbindung zur Sammlung zu sehen. Zumal das Thema „Frucht“ für eine Kunstsammlung zwar einzigartig ist, die unternehmerische Tätigkeit als Sammelmotto zu nehmen jedoch nicht. Die „Ritter Sport“-Miteigentümerin Marli Hoppe-Ritter hat ihre Kunstsammlung von 800 Werken allein dem Thema „Quadrat“ gewidmet. Im Gegensatz zu Wild sind für sie Sammlung und Unternehmen eng miteinander verbunden. Wild stieg Mitte der 90er Jahre aus dem familiären Unternehmen aus und betont, dass seine Stiftung für Fruchtmalerei und Skulptur und „Capri Sonne“, auch wenn das einer gewissen Ironie natürlich nicht entbehrte, in keinerlei Bezug zueinander stünden. Trotzdem kann man sich vor Beuys Installation „Capri Batterie“, die auch ein Teil der Sammlung ist, ein kurzes Lächeln nicht verkneifen. Gekauft wird, was gefällt Wild sammelt aus Passion, gekauft wird, was gefällt. Das muss nicht unbedingt eine Wertanlage sein, obwohl das natürlich ein willkommener Nebeneffekt ist. Junge Talente, zu denen Wild oft eine persönliche Beziehung pflegt, die teilweise sogar Auftragsarbeiten annehmen, sind ebenso gesucht wie bekannte „Klassiker“. Wie auch zwischen verschiedensten Stilen soll hier die Balance zwischen alt und neu, bekannt und aufsteigend gefunden werden. Grenzen setzt der Suche allein der Kunstmarkt, der die Preise zuweilen in absurde Höhen schießen lässt. Was bei dieser Kunstjagd alles so erbeutet wird, ist in der Tat beeindruckend und die Frucht gibt mehr her, als man bei der Vorstellung von herkömmlichen Äpfel-Birnen-Stillleben so denken mag. Da stellt sich eine täuschend echt aussehende abgenagte Apfelkitsche von Gavin Turk – „Gala (eaten apple)“ – als bemalte Bronzeplastik heraus, die die Vergänglichkeit auf gekonnte Weise parodiert. Dazu braucht es nicht einmal einen Damien Hirst. Nun gut, das Vanitas-Symbol ist nicht gerade neu, doch die Frucht kann noch mehr. Politische Botschaft sein zum Beispiel, zu vermuten in einer Porzellanmelone des chinesischen Protestkünstlers Ai Weiwei oder einer Collage des Holländers Bernd Strik, die als Kritik an der heutigen Wegwerf-Gesellschaft interpretiert werden kann. Ein Spaziergang durch die „Auslese“, wie sich die Ausstellung der Stiftung im Mannheimer Kunstverein nennt, begeistert und wirft die Frage auf: Wo ist all das sonst? Leider beinahe unsichtbar, zumindest für den Durchschnitts-Heidelberger, der sich gerne mal an ein bisschen Kunst erfreuen möchte. Ist gerade keine Ausstellung, hängen Wilds Herzensstücke in den Büros seiner Mitarbeiter oder werden in einem Depot gelagert. Schade eigentlich. "Mit einem Museum setzt man sich immer auch ein Denkmal" Muss das so sein? Annika Greuter, die unter anderem in Heidelberg Kunstgeschichte studiert hat, hilft Wild bei Ankäufen und verwaltet die Sammlung. Sie erklärt, warum dieser sich für eine Privatsammlung entschieden habe: Hauptgrund sei vor allem eine fehlende Infrastruktur. Die Stiftung selbst besitzt keine eigenen Ausstellungsräume, in denen die Werke dauerhaft präsentiert werden könnten und die Vorbereitung einer temporären Ausstellung, wie es die Mannheimer „Auslese“ war, kann bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Transport und Zwischenlagerung sind aufwändig und teuer. So bliebe als einzige Möglichkeit ein eigenes Museum, wie es sich zum Beispiel auch Marli Hoppe-Ritter für ihre Quadrat-Sammlung in Waldenbuch gebaut hat. Das, so Greuter, habe bisher jedoch noch nie zur Debatte gestanden. „Mit einem Museum setzt man sich immer auch ein Denkmal. Das kann man mögen – oder auch nicht.“ Rainer Wild gehört wohl eher zu Letzteren. In der Öffentlichkeit spricht er kaum über seine Sammlung, auch deshalb ist sie den meisten Heidelbergern gänzlich unbekannt. Das kann man zwar verstehen, schade ist es trotzdem. Hier gelangt man schnell zu der altbekannten Diskussion um private Kunstsammlungen im Allgemeinen. Darf man der Öffentlichkeit einen Warhol, einen Dalà oder einen Paul Klee vorenthalten? Natürlich kann man niemandem verbieten, privat Kunst zu sammeln. Museen haben in diesen Tagen wenig Geld, bei der Versteigerung berühmter Meisterwerke gehen sie aus Geldmangel oft leer aus. Da helfen ambitionierte Sammler, die gegebenenfalls auch Leihgaben zur Verfügung stellen. So darf man sich wünschen, dass auch in Zukunft Möglichkeiten an Rainer Wild herangetragen werden, seine Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Denn wenn man schon Warhols Zitronen um die Ecke hat, so möchte man sie auch ab und zu bewundern können. |